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Die Linke in Israel?

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Zionistische Werbung Quelle: Am Israel Foundation
Zionistische Werbung Quelle: Am Israel Foundation

Ich habe gerade den Artikel Israel: Wo ist die Linke? von Ramon Schack auf Telepolis gelesen. Ehrlich gesagt ein sehr enttäuschender Artikel, erstens beleuchtet er überhaupt nicht was eigentlich ordinär Linke Positionen sind und zweitens schreibt der Autor einem Mythos nach in dem Israel als säkular-sozialistischer Staat gegründet worden sei. 

Besonders letzteres ist doch eine steile These, nicht nur das diese Behauptung wohl gar nicht belegbar ist, besonders abstrus empfinde ich das Ben-Gurion und seine Partei Mapai als Linke Partei dargestellt und glorifiziert werden. Ich persönlich dagegen glaube die Linke als gesellschaftliche Bewegung in Israel immer nur eine marginale Randgruppe war.

Also eine Partei die ordinär linke Positionen in Israel vertrat und vertritt ist die Maki, besser bekannt als die Kommunistische Partei Israels, doch diese war immer nur ein kleine Partei und war niemals in einer Regierung vertreten. Im Gegensatz zu ihr war die Mapai niemals offen für die im Land lebenden Palästinenser bzw. deren Anliegen und die Mapai war wie ihr deutsches Pendant die SPD auch niemals progressiv. Jedoch würde ich der SPD eines Wehners, Schmidts oder Brands unrecht tun sie überhaupt mit der Mapai des David Ben-Gurion zu vergleichen, im Gegensatz zur SPD vertrat die Mapai unter Ben-Gurion niemals den nahezu elementaren linken Grundsatz das alle Menschen gleich sind. Sie war und ihr Nachfolger Awoda ist eine zionistische Partei. Die Mapai hat sich ausschließlich an Juden in Israel gewendet, ebenso wie all die anderen zionistischen Parteien in Israel. Bereits vor der Staatsgründung Israels betrieb die Mapai eine Politik der Delegitimierung der arabisch/palestinensischen Positionen und Forderungen. Ebenso vertrat die Mapai eine ausgesprochen militaristische Programmatik in Bezug auf die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen. Parteiinterne Debatten über die "Reinheit der Waffe" sind dabei nur ein Ausdruck für die wachsende Rolle des militanten Flügels innerhalb der Partei. Die Mapai unter Führung des David Ben-Gurion legte bereits vor der Gründung des Staates Israel den Grundstein dafür das der Grad der Militarisierung der israelischen Gesellschaft heute unter allen Ländern am höchsten ist.

Aber hier einmal zurück zum Zionismus. Der Zionismus seinerseits war und ist ein Ideologieprodukt, aber auch ein typisches Kind des ausgehenden 19. Jahrhundert der das völkische Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verwurzelung auf einem heimischen Boden propagierte. Die Mehrheit der Zionisten redeten bis heute stets von der untrennbaren Einheit von Am Yisrael, Torath Yisrael und Eretz Yisrael, was soviel heißt wie die Einheit von Volk, religiöser Lehre und Boden/Land. Streng gläubige Juden lehnen dieses politische Konzept des zionistischen Staates Israel ab, da ein politischer jüdischer Machtanspruch in Eretz Israel in ihren Augen ohne die Widerkehr eines Messias aus dem Hause Davids den religiösen Grundlagentexten der Religion selber zuwider laufen würde. Aus diesem Gegensatz zwischen säkular/orthodoxen Zionisten/Juden und den ultra-orthodoxen Juden wurde die Missdeutung geboren das die Gründung des Staates Israel ein säkulares Projekt sei. Auch die Status Quo Erklärung des David Ben-Gurion aus dem Juni 1947 spricht wohl eher dagegen, denn alle Fragen zum Personenstand und dessen Regelungen den Religionsgerichten im neu errichteten Staat Israel zu überantworten ist alles andere als ein säkulares Konzept.

Die große Frage die seit dem über dem Demokratiemodell Israel schwebt ist ob der zionistische Staat Israel sich selber eine Verfassung geben kann oder ob der Wille dafür vorhanden ist, in einer Verfassung in der auch die Rechte und Pflichten der Bevölkerungsmehrheit und der Minderheiten klar geregelt dargestellt werden. Die zionistische Bewegung unter Ben-Gurion und der Mapai war jedoch nie gewillt eine Nationalitätenpolitik wie sie in der Sowjetunion propagiert wurde zu erlauben. Der Widerspruch zur Unabhänigigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 wird hier klar erkennbar, diese dient bis heute in Israel als Verfassungsersatz. Im dritten Teil der Erklärung ist die Rede zur völligen sozialen und politischen Gleichheit aller Bürger/-innen ungeachtet ihrer Rasse, Religion oder Geschlecht, auch zur Glaubens und Gewissensfreiheit, sowie zur Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur. Wie im deutschen durchaus bekannt ist das geschriebene Wort auf Papier geduldig und harrt bis heute auf seine Umsetzung, denn in dieser Erklärung werden durchaus sozialistische Linke Ideale verkündigt.    

Die Mapai, die aus dem sogenannten Bewegung des Labour-Zionismus und dem Gewerkschaftsverband Histradrut hervorgegangen war, vertrat in  der Umsetzung ihrer Ziele jedoch niemals eine sozialistische Agenda, wohl aber stets ein eher National-konservatives Programm mit einem Hang zum religiös ethnisch bisweilen rassisch geprägten Nationalismus, der im übrigen auch sozialistische Elemente enthielt. Die Geschichte des Labour-Zionismus, der Histradrut und der Mapai zeigen dabei eindrücklich, das die Labour-Zionisten trotz ihres Ursprungs in der Arbeiterklasse nicht an einer internationalen und interkulturellen Solidarität interessiert waren. Soweit sie überhaupt an sozialistischen Phrasen festhielten, dienten diese dazu ihrem nationalistischen Programm einen akzeptableren Anstrich zu verpassen. Das Konzept dahinter entsprach wohl eher dem des nationalen Sozialismus, der wohl eine starke Gewerkschaftsbindung propagierte, aber nur unter der Prämisse der ethnischen, der damals noch sogenannten völkischen Zugehörigkeit.  

Das israelische Rückkehrgesetz oder das Enteignung bei Abwesenheit-Gesetz die unter der Ben-Gurion/Mapai Ägide verabschiedet wurden um eine jüdische Bevölkerungsmehrheit zu generieren sind nur zwei Beispiele dafür mit welchen nationalistischen Mitteln der Jüdische Staat legitimiert werden sollte. Mit beiden Gesetzen wurde die Vertreibung und Enteignung der vor den Kampfhandlungen geflüchteten Palästinenser als Ergebnis des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948/49 in juristische Lettern gemeißelt, heute würde man wohl ethnisch motivierte Vertreibung und spätere Enteignung auf real gesetzlicher Basis dazu sagen. Die in Israel verbliebenen rund 150.000 Palestinenser lebten zudem bis 1966 unter Militärverwaltung in speziellen Militärdistrikten, mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit und sehr eingeschränkten Bürgerrechten. Also vom sozialistischen linken Ideal der Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen war das Meilenweit entfernt. Auch übernahm Ben-Gurion bei der Gründung des Staates Israel keine anleihen im damaligen sozialistischen Lager, sondern übernahm im großen und ganzen das britische Politikmodell und britische Gesetze aus der Mandatszeit die teilweise bis heute gelten. Praktisch gesehen wurden das politische Modell und die Gesetze einer Besatzungsmacht und deren Verwaltung übernommen.

Im übrigen war der Sechs Tage Krieg ein großer Sieg wie Ramon Schack behauptet, dem würde ich wohl zustimmen. Aber der sechs-Tage-Krieg war auch ein ordinärer Angriffskrieg seitens Israel unter der politischen Führung von Levi Eshkol und seiner Regierungspartei Mapai, der erst zu der nun über 50 jährigen Besatzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens führte. Ein Ergebnis des Krieges war die Annexion Ost-Jerusalems am 28. Juni 1967, also eine gewaltsame Ausdehnung israelischen Staatsterritoriums. Bis der Likud 1977 die Macht übernahm enteignete israelische Politik und ihr Militär mehrere tausend Quadratkilometer des Westjordanlandes und ermöglichte so der Siedlungsbewegung Gush Emunim dort erst Fuß zu fassen. Die Bewegung Gush Emunim ist meines Erachtens eine eher faschistoide religiöse Bewegung, die auch eine starke Bindung an die Blut und Boden Dichtomanie der Nationalsozialisten im dritten Reich erkennen lässt. Deren Siedlungen wie Elon Moreh entstanden bereits unter der Awoda-Ägide, Mitte der 1970er Jahre. Grundlage hierfür war das sogenannte Sebastia-Agreement das 1975 Shimon Peres mit der Siedlungsbewegung abschloss. Die große Frage die seitdem über dem Zionismus schwebt ist die nach den territorialen Grenzen dieser Expansion. 

Also ich kann mich zwar irren, aber die Behauptung das dem Staat Israel ein säkular-sozialistisches Konzept bei seiner Gründung zu Grunde lag ist aus meiner Sicht wohl in die Tonne zu kloppen. Das die Partei Mapai unter der Führung des David Ben-Gurion linke oder gar sozialistische Positionen vertraten würde ich genauso bezweifeln, in der Summe halte ich diese Behauptung für reines Wunschdenken und fernab jeder Realität.  

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