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Pegida und die Mittelschicht

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, plötzlich sieht sich die konservative Politik bestätigt, bei den Pegida-Demonstrationen demonstrieren nun besorgte Bürger. Entstammen sie doch der Mittelsicht. Jener ominösen Mittelschicht um die die Parteien so gerne buhlen. Also kein Grund zur Aufregung so der O-Ton den viele Politiker wie Wolfgang Bosbach, Andreas Scheuer oder Sachsens Innenminister Markus Ulbig nun pflegen, von der AfD ganz zu schweigen.

Schaut man sich die Studie an fällt eines auf, sie ist gut gemacht und sehr informativ. Jedoch brilliert sie mit Schlagwörtern wie die Mittelschicht. Die Frage die sich da stellt: Wer oder Was ist die Mittelschicht?

Nach traditioneller Vorstellung der Altvorderen handelt es sich bei der typisch Deutschen Mittelschicht um eine Gruppe die sich so charakterisieren lässt: Familie mit Kindern, Eigenheim und alleinverdienendem Vater und eventuell dazu verdienender Mutter. Das typische Idealbild der bundesdeutschen Familie bis in die 1980er Jahre hinein. Jedoch hat dieses Bild völlig ausgedient, heute sind es nicht einmal mehr 10 Prozent der Haushalte die diesem Bild entsprechen und damit wird wohl deutlich, die Definitionen sind bei der Bewertung immens wichtig.

Die Sozialwissenschaft wählte einen ganz anderen Ansatz für Abgrenzung von Ober-, Mittel- und Unterschicht. Der Kernpunkt bildet hier die Erwerbstätigkeit, der Theorie nach je höher das Einkommen umso besser die Ausbildung und damit einhergehend die allgemeine Bildung. Für die so abgegrenzte soziokulturelle Mittelschicht beträgt das typische Einkommen zwischen 60 und 250 Prozent des Medianeinkommens. In diese Bandbreite fallen etwa 70 Prozent aller Haushalte in der Bundesrepublik. Dabei unterteilt man die Mittelschicht in drei Gruppen, die obere Mittelschicht, Mittelschicht im engeren Sinne und die untere Mittelschicht. Die Unterteilung ist abhängig vom Einkommen, nämlich 13% der Pegida-Demonstranten gaben an bis 800 € netto zu verdienen, also klar die gehören der Unterschicht an, der Rest der Mittelschicht. Die untere Mittelschicht beginnt bei einem Einkommen von 985 € netto im Monat bei einem Singlehaushalt.

Die Studie basiert auf einer empirischen Untersuchung von PEGIDA-Teilnehmern, die am 22.12.2014, 5.1.2015 und 12.1.2015 nach ihren soziodemographischen Merkmalen und ihrer Motivation zur Teilnahme an den Demonstrationen in Dresden befragt wurden. Insgesamt wurden ca. 1.200 Personen angesprochen, von denen rund 400 Personen an der Befragung teilgenommen haben.

TU Dresden

Wie man sieht haben 65% der angesprochenen Demonstranten eine Befragung abgelehnt, das Problem erkennt auch Prof. Vorländer in dem so angibt das dieses jedoch nichts ungewöhnliches sei bei solchen Datenerhebungen. Es sei mal dahingestellt ob die Daten zum Einkommen die angegeben wurden auch in der Realität zutreffen und damit die Beurteilung ob diese Personen zu irgendwelchen Schichten zuzurechnen sind, wichtig ist glaube ich zumindest, das der Inhalt zum Tragen kommt und da haben wir es wieder mit einer Schlagworterklärung zu tun, die in den Medien verbreitet wurde. Das Argument lautet: Unzufriedenheit mit der Politik. Das Argument ist genauso schwammig, unklar definiert, in einer Bandbreite auslegbar wie wenn ich den Worten Revolution, Demokratie und Freiheit nur allgemein Verbindliche Attribute verpasse. Die Unzufriedenheit mit der Politik wird so nicht greifbar. Geht man in der Studie weiter erkennt man recht schnell das dieses nicht unbedingt auf die Sozialpolitik der Bundes- und Landesregierungen bezieht, nur 6% gaben an das sie mit der Sozial und Wirtschaftspolitik unzufrieden sind, sondern primär auf die Asyl-, Integration- und Zuwanderungspolitik zuspitzen, zusammen waren das 34%!. Immerhin jeweils 20% gaben an das sie Angst vor einer sozioökonomischen Benachteiligung und Angst vor einer Hohen Kriminalität unter den Asylbewerbern haben und schlappe 42% haben Angst vor dem Schreckgespenst Moslem bzw. Islam. Einerseits sind 46% der Befragten Unzufrieden mit der Berichterstattung in den Medien, andererseits greifen gerade Pegida-Demonstranten anscheinend gerne Themen aus den Medien auf, wie zum Beispiel: Kritik am Islam, an Asylbewerbern und allgemein an Migranten. Dieser Themenschwerpunkt ist eigentlich selbst in der Studie nicht zu übersehen. Es geht aus der Studie hervor das vor allem rechtspopulistische Themen die Schwerpunkte dieser Unzufriedenheit bilden, denn wie gesagt Unzufriedenheit mit der Politik ist ein sehr weites Feld.

Daraus lässt sich schließen: Auch wenn sich PEGIDA dem Namen nach gegen die Islamisierung des Abendlandes wendet, sind die Kundgebungen für die Mehrheit der Teilnehmer in erster Linie eine Möglichkeit, tief empfundene, bisher nicht öffentlich artikulierte Ressentiments gegenüber politischer und meinungsbildender Elite zum Ausdruck zu bringen. Diese Gegenüberstellung von „Die da oben“ und „Wir hier unten“ in Kombination mit fremdenfeindlichen Einstellungen wird traditionell zum rhetorischen Arsenal rechtspopulistischer Strömungen gerechnet.

TU Dresden

Ich weis zwar nicht wie es anderen Menschen geht, aber die Analyse das die Unzufriedenheit mit der Politik vor allem von dem Standpunkt "Die da oben“ und „Wir hier unten“ diktiert wird greift einfach etwas zu kurz. Der Standpunkt "Die da oben“ und „Wir hier unten“ kann nur greifen wenn ich den Standpunkt "Wir gegen Die" hinzufüge. Wer Wir oder Die auch immer sind, sie werden es schwer haben. Einerseits fühlt sich Wir permanent benachteiligt, ausgepresst, bevormundet, Unverstanden. Währenddessen Die immer alles bekommen, praktischer Weise kann man Die auf alle sozialen Gruppen und Sachlagen beziehen. Wie aus dem Standpunktpapier von PEGIDA hervorgeht ist man zwar gewillt Asyl zu gewähren, nur gleichzeitig ist man gegen den Asylmissbrauch, also gegen sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge richtet sich der Vorwurf. Die Frage ist wohl wie will man zwischen politischen und Wirtschaftsflüchtlingen differenzieren wenn man es nicht prüft? Auf der anderen Seite verschärften doch unsere Bundesregierungen die Regelungen zum Asyl in den letzten Jahrzehnten permanent, im Oktober 2014 kamen Länder wie Senegal, Ghana, Serbien und Bosnien Herzogwina auf die Liste der sicheren Herkunftsländer hinzu, also eine sofortige Abschiebung ist da garantiert. Also meines Erachtens scheitern die Erklärungsversuche für die Entstehung der Bewegung auch daran, da die Bundesrepublikanische Politik eigentlich für das Ansinnen von PEGIDA ein offenes Ohr hat und auch deren Standpunkte vertritt. So brabbelte gestern Hr. Bosbach etwas von einer christlich-jüdischen Tradition Deutschlands, die Bundeskanzlerin brabbelte vorgestern vor dem Bundestag etwas das Muslime sich von den extremen Glaubensvorstellungen die es im Islam durchaus gibt distanzieren sollen und was brabbelt PEGIDA? Die brabbeln was von einem christlich-jüdischen Abendland und sind gegen religiös motivierte Gewalt die vom Islam ausgeht. Wie man sieht gibt es genug Schnittpunkte zwischen etablierter Politik und PEGIDA. Wie ich schon einmal schrieb, die Inhalte von PEGIDA sind schon lange in der etablierten Politik angekommen, nur werden sie da mit einer anderen Rhetorik wiedergegeben.

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