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Immer Ärger um den Mohren

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Dieses Jahr hörte ich beim Rundfunksender MDR folgenden Artikel Trotz Rassismus Vorwürfen: Eisenberg bleibt beim Mohrenfest. Nun gut dachte ich, Cancel Culture Aktivisten, die ich eher als Call out Culture Aktivisten im Anti-Rassismusgewand bezeichne, wollen ein Stadtfest in einer thüringischen Kleinstadt mit etwas mehr als 10.000 Einwohnern umbenennen. Aus diesem Grunde habe ich mir den offenen Brief des Anti-Diskriminierungswerkes Thadine vom 20.08.2021 durchgelesen. Mit diesem Brief hat sich das Anti-Diskriminierungsnetzwerk Thadine meines Erachtens keinen Gefallen getan um ihr eigentliches Anliegen zu untermauern, es ist einfach sehr schlecht begründet. 

Der Stein des Anstoßes ist bekanntlich der Begriff des Mohren, also meines Erachtens symbolisiert der Begriff des Mohren allgemein gesprochen einen dunkelhäutigen Diener im Dienste eines Herrschers in eher orientalischen Regionen in der Zeit der Renaissance, dem 17./18. Jahrhundert. Der Begriff weckt logischer Weise Assoziationen, sowohl Positive wie auch Negative, so viel ist klar und das machen eigentlich alle Begriffe. Sicher kann man im Mohren einen Sklaven sehen, man kann ihn auch als hilfsbereiten Underdog sehen, der nun wiederum Sympathien weckt. Es obliegt dem Betrachter welche der beiden Sichtweisen eigentlich zum tragen kommt. Cancel Culture Aktivisten geht es dabei die Rolle des Mohren als Sklave herauszuheben, nur stellt sich spätestens hier die Frage um was geht es eigentlich bei der Eisenberger Mohrensaga

Vor vielen hundert Jahren, als noch die Grafen von Eisenberg in dem alten Schlosse hausten, hatte sich einer dieser Grafen von einem Kreuzzuge nach dem Heilligen Lande nach der Sitte der damaligen Zeiten einen Mohren als Diener mitgebracht. Wegen ihrer Treue waren die Mohren hoch geschätzt. Lange Zeit hatte er nun auch dem Grafen treu und ehrlich gedient, als eines Tages dessen Gemahlin ihre kostbare, goldene Kette vermisste und trotz allen Suchens nicht wieder finden konnte.

Von den gräflichen Dienern war an dem Tag, an dem die Kette verloren ging, nur der Mohr um die Gräfin und in deren Zimmer gewesen. Auf diesen fiel daher sogleich der Verdacht, die verschwundene Kette entwendet zu haben. Auf der Stelle wurde er verhört, gefangen genommen und obwohl er unter Tränen und Flehen seine Unschuld beteuerte, zum Tode verurteilt. Die Vollziehung des Urteils wurde noch auf denselbigen Nachmittag festgesetzt.

Als die Stunde der Enthauptung des sonst treuen und ergebenen Dieners herannahte und viel Volk sich vor dem Palast versammelte, um den armen Sünder sterben zu sehen, ward es der Gräfin ängstlich und schwer ums Herz. Sie zog sich allein in ihr Gemach zurück und suchte ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Da fiel ihr Auge auf das schwere Gebetbuch, das dort am Fenster auf dem kleinen kunstvoll geschnitzten Betschemel lag. Sie kniete nieder und löste hastig die schweren Goldspangen, die das Buch geschlossen hielten und jetzt mit scharfem Geräusch aufsprangen.

Da, wie sie einige Blätter umgeschlagen hatte, klirrte es plötzlich, und aus den Blättern heraus fiel ihr zu Füßen die verlorene Kette. Entsetzt fuhr sie empor. Der Mohr war also doch nicht ein Dieb, er war unschuldig, und unschuldig sollte er gerade jetzt sein Leben um ihretwillen hingeben. Rasch stürzte sie davon und entsandte die wenigen im Palast gebliebenen Diener nach dem Richtplatz. Es war noch nicht zu spät gewesen.

Der Graf schenkte dem Mohren die Freiheit. Um aber seine grundlos geschändete Ehre wieder herzustellen, nahm der Graf den Kopf des Mohren mit der Binde über den Augen in sein Wappen auf.

Zur ewigen Erinnerung an die berichtete Geschichte stellten später die braven Väter der Stadt im Jahre 1727 dem armen Mohren ein steinern Standbild auf.

Wie jeder sehen kann handelt es sich dabei um eine Sage die mit der Rettung und Befreiung eines Sklaven endet. Ob sie sich tatsächlich so zu getragen hat? Um es vorweg zu nehmen, historisch belegt ist sie nicht, es gibt keine Akten oder andere Zeugnisse zu solch einem Fall. Darum geht es eigentlich nicht in der Geschichte oder Sage, denn Sagen wie diese haben einen belehrenden Charakter, es geht wie so oft einfach um Moral, Recht und Gerechtigkeit. Ob es sich um eine wahre Geschichte handelt, wohl eher nicht, der Mohr ist aber nicht zufällig der Held der Geschichte. Die erste Frage die sich dabei stellt: Warum er dies wurde? Die Jahreszahl 1727 verrät nur das der Eisenberger Mohrenbrunnen errichtet wurde, das im Zeitalter der Renaissance und dieses Zeitalter verstand sich als die Wiedergeburt des Wissens, aber auch das Interesse an fremden Ländern. 

Vorausgegangen waren die sogenannten Religionskriege und die Hexenverfolgungen im 17. und 16. Jahrhundert. Die zweite Frage: Was waren die Lehren aus den Religionskriegen und den Hexenverfolgungen die man damals zog? Eine Anklage ohne ein handfestes Corpus Delicti wurden zunehmend unmöglich gemacht. Die Folter als Mittel der Rechtsfindung wurde in zunehmender Weise von den örtlichen Autoritäten ausgeschlossen. Davon handelt die Sage und hier kommt der Mohr ins Spiel, er ist ein Fremder in einem fremden Land, aber auch ihm der so anders aussieht wird Gerechtigkeit zu Teil. 

Es sei daran erinnert das in Thüringen zwischen 1526 bis 1731 in rund 1.500 Fällen Hexen und Hexer zum Tode verurteilt wurden bzw. Hexenprozesse stattfanden, aufgrund eigentlich sinnfreier Verdächtigungen und das war damals bereits bekannt. Hinzu kam das der Reiz des Orients seit dem Hochmittelalter, aber besonders in der Renaissance, auch die ostthüringische Gefilde erreichten, Luxusgüter aus dem Orient für die erlauchte Oberschicht und der Botschafter des Luxus war stets ein in Samt und Seide gekleideter Dunkelhäutiger. Betrachtet man die Geschichte von dieser Seite fällt auf das der Mohrenbrunnen in Eisenberg im Jahre 1727 erschaffen wurde. Erste schriftliche Erwähnung der Mohrensage finden sich erst im Jahre 1838, demzufolge war die Sage um den Eisenberger Mohren eher ein Erklärungsansatz warum der Mohr sowohl als Skulptur in der Stadt wie auch im Wappen der Kleinstadt zu finden war. Bei der Geschichte um den Mohren handelt es darum um eine heraldische Erzählung, die mit einigen historischen Bruchstücken und auch sehr viel Fantasie zu einer in sich stimmigen Erzählung verwoben wurde. 

Das erkennt man schon daran das es keine Grafen von Eisenberg zur Zeit der Kreuzzüge gab. Eisenberg lag zur Zeit der Kreuzzüge am Rande des Herrschaftsgebietes der Reichsvögte von Gera, der Markgrafschaft Meißen in der mittelalterlichen Großlandschaft Osterland und diese Vögte und Grafen zogen bekanntlich nicht in das heilige Land. Am Wappen der Reichsvögte erkennt man das man sich damals gerne mit fremden landesuntypischen Intarsien schmückte, wie den Pfauenfedern auf dem Helm und dem Löwen mit Krone auf dem Schild. Pfauen kommen aus Indien und Löwen aus Afrika bzw. Asien, also Regionen die man bis ins 19. Jahrhundert als Orient bezeichnete und diese Symbole haben ihre eigene Bedeutung in der Macht- und Wohlstandssymbolik der damaligen Zeit. Die Geschichte um den Mohren von Eisenberg dürfte damit wohl erst im 19. Jahrhundert entstanden sein und ist wohl auch eine Hommage an das kurzlebige Herzogtum Sachsen-Eisenberg, das von 1680-1707 bestand, Eisenberg zu deren Residenzstadt machte und der Stadt dadurch eine überregionale Bedeutung gab. 

Warum sich das Anti-Diskriminierungsnetzwerk Thadine so über den Eisenberger Mohren und das Stadtfest echauffiert, tja darüber kann man nur rätseln. Zum einen ist der offene Brief an die Eisenberger Bürger in einem messianischen Schreibstil verfasst worden. Zum anderen verstehen sich die Verfasser des Briefes als Aufklärer. Das erst die Ereignisse um die Black Lives Matter Bewegung in den USA zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte Hierzulande geführt hat ist schlicht und ergreifend etwas sehr verkürzt dargestellt. Diese breite gesellschaftliche Debatte existiert spätestens seit Anfang der 1990er Jahre, Begriffe wie die Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Brandanschläge von Mölln waren Ereignisse die von rassistischen Klischees und offen ausgelebten Rassismus begleitet worden sind, sicher es geht bei dieser Rassismusdebatte hierzulande nicht nur um Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Die Black Lives Matter Bewegung existiert erst seit 2013 und knüpft dort in den USA an das Civil Rights Movement der 1950/60er Jahre um Dr. Martin Luther King jun. an. Hier verschieben sich die Ausgangspunkte in der Rassismusdiskussion von Haus aus.  Das zum anderen in den 40 Jahren seit dem Civil Rights Movement nicht großartiges an der von der Black Lives Matter Bewegung angesprochenen institutionellen Diskirminierung von Menschen schwarzer Hautfarbe geändert hat, es geht heute um sozioökonomische und gesellschaftspolitische Diskriminierung, ist wohl den Akteuren in den USA geschuldet. 

Auch das die Autoren des offenen Briefes in ihrer Argumentation auf den Anatom Samuel Thomas Soemmerring verweisen, der das Buch "Über die körperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europäer" im Jahre 1784 veröffentlichte, verwundert doch sehr. Spiegelt doch diese Abhandlung die Debatte im späten 18. Jahrhundert über die Frage der Ursprünge der Menschheit wieder, ja die gab es bereits lange vor Darwin und Wallace. Soemmerrings Werk gehört zur Wissenschaftsgeschichte, zeigt es doch das sich Wissen in den Wissenschaften entwickelt mit all den Irrtümern die dabei begangen werden. Abgesehen davon im Zeitalter der Aufklärung kamen die Negervölker Afrikas bei den großen Philosophen wie Hume, Kant, Voltaire oder Rosseau weniger gut weg als man vermuten sollte, aber trotzdem gelten sie bis heute als die großen Erleuchteten und Humanisten ihrer Zeit. Diese eher dunkle Seite des Zeitalters der Aufklärung ist eigentlich recht wenig bekannt, jedoch bildet sie die Grundlage für den modernen Rassismus. Naja zu ihrer Ehrenrettung muss man hinzufügen, sie waren eben auch Menschen ihrer Zeit mit dem Wissen ihrer Zeit und ich glaube kaum das heute noch jemand an die Polygenese glaubt, also das sich auf allen Kontinenten Menschen separat entwickelten, denn diese These vertrat Soemmerring in seiner Abhandlung. Interessant ist an dem Begriff des Mohren im 18. Jahrhundert das er auch vom ersten schwarzen Akademiker in Deutschland verwendet wurde. Anton Wilhelm Amo erarbeitete die Disputation "De Jure Maurorum in Europa oder vom Mohren-Recht", die er an der Universität Halle 1729 vorgetragen hat. Das zeigt das der Begriff des Mohren ein weit verbreiteter Begriff zu dieser Zeit gewesen war.   

Was mich auch stört sind diesen recht eigenartigen Lösungsvorschlag die die Autoren des Briefes nutzen um das Stadtfest umzubenennen. Der heilige Mauritius soll es nun richten, mal ganz abgesehen davon das es sich ebenso um eine Legende handelt, bei der es sich  um einen römischen Legionär im Offiziersrang dreht, könnte der Vorschlag nicht unpassender sein. Der Held dieser Legende ist ein religiöser Märtyrer, also prinzipiell ein Religionsfanatiker, wie Osama Bin Laden eben auch einer war. Wir reden hier auch von einem Soldaten des Imperium Romanum, einem Staat in dem ca. 25% der Bevölkerung wohl Sklaven waren. Viele von diesen werden wohl auch Äethiopen gewesen sein, ein von den Griechen und Römern verwendeter Begriff für die Bezeichnung schwarzer Menschen aus Afrika. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Äethiope: "Die von der Sonne verbrannten Haut".

Das die vom Anti-Diskriminierungsnetzwerk Thadine vorgeschlagenen Römer und Ritterfestspiele genauso als Zeichen von Verherrlichung von Gewalt, Kolonialismus und Ausbeutung von Sklaven gedeutet werden können fällt den Autoren des Briefes gar nicht auf. Wie gesagt die römische Gesellschaft und Wirtschaft basiert auf der Arbeitskraft von Sklaven und das Imperium Romanum war ein imperialistischer Staat, dessen Reichtum auf der Eroberung und Ausbeutung anderer Staaten und Länder beruhte. Die Ritter und die römisch katholische Kirche in deutschen Landen waren da keinen Deut besser, deren Wohlstand basierte auf der Leibeigenschaft von Bauern. Sicherlich es waren keine schwarzen Menschen aus Afrika, weswegen man auch nicht von Rassismus sprechen kann. Damit stellt sich die Frage wie eine Skulptur aus dem 18. Jahrhundert und eine Sage aus dem 19. Jahrhundert heute lebenden schwarze Menschen in Deutschland diskriminieren kann? Geht es hier nur um den Begriff des Mohren? Vielleicht geht es auch um etwas anderes? 

So richtig kann ich mir keinen echten Reim auf den Brief des Anti-Diskriminierungsnetzwerkes machen, er ist wie gesagt in einer profetischen Schreibweise verfasst worden, d.h. er beginnt freundlich, wird dann vermittelnd und am Ende schließt er mit einer Drohung. Es geht den Autoren des Briefes noch nicht einmal um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Eisenberger Mohrensage, sondern sie versteifen sich auf ein Wort bzw. Begriff ganz egal in welchen Zusammenhang er verwendet wird. Man könnte wahrscheinlich Dr. Martin Luther Kings jun. berühmte Rede "I Have a Dream" von 1963 nehmen und folgenden Auszug auf ein Plakat schreiben:

But 100 years later, the Negro still is not free. One hundred years later, the life of the Negro is still sadly crippled by the manacles of segregation and the chains of discrimination. One hundred years later, the Negro lives on a lonely island of poverty in the midst of a vast ocean of material prosperity. One hundred years later, the Negro is still languished in the corners of American society and finds himself an exile in his own land. And so we've come here today to dramatize a shameful condition.

Martin Luther King jun: I Have a Dream

Die Aktivisten würden diesen Auszug aus dieser Rede für puren Rassismus halten, weil mindestens viermal das Wort Negro in diesen Abschnitt verwendet wurde. Der eigentliche Inhalt dieser Rede interessiert die Aktivisten nicht, denn so geschehen im Jahre 2013,  Vertreter der Initiative schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) veranstalteten einen Eklat als der Moderator Deniz Yücel diesen Auszug laut vorlas. Wer ist denn nun der Rassist? Der Autor des Textes Dr. Martin Luther King jun. oder der Moderator Deniz Yücel? Etwa Beide? Denn das ist die letztendliche Konsequenz, wenn das Wort Negro in dieser Rede einen rassistische Diskriminierung darstellen würde wäre Dr. Martin Luther King jun. ein Rassist, eine ziemlich wirre Vorstellung. Dabei hat King in seiner Rede das Wort Negro sehr bewusst eingebaut, er hätte auch Black People oder Afroamerican sagen können, tat er aber nicht, denn diese Rede verfasste er zum 100. Jahrestages der Veröffentlichung der Emanzipacion Proclamation. Wem das nichts sagt, am 01. Januar 1863 wurde die Sklaverei mit dieser Erklärung in den gesamten USA verboten. Die Verwendung des Wortes Negro potenziert dabei die Wirkung dieses Abschnittes in der Rede von King, denn dieser Teil der Rede ist eine Anklage und King verwendete den Ausdruck Negro, also in der Sprache der amerikanischen Sklavenhalter um diese Forderung nach der gleichberechtigten Teilhabe der Afroamerikaner zu unterstreichen, derer sie 100 Jahre harrten. Das gleiche gilt wohl für Malcom X Rede "The Difference between the House Negro and the Field Negro", sie symbolisiert auch den nicht immer noblen Zeitgeist. Entferne ich den Begriff Negro aus diesen Reden flache ich sie inhaltlich ab, entschärfe ihren für die USA der damaligen Zeit nahezu revolutionären Gedanken von Gleichberechtigung. 

Negro bedeutet im übrigen einfach Schwarzer und stammt eigentlich von dem französischen oder spanischen Begriff Negre ab, was auch Schwarzer bedeutet, wobei man hier spätestens anmerken muss das der deutsche Begriff Neger ein Eigenwort ist und der französischen Sprache entlehnt wurde. Der englische Begriff Nigger sich nun wiederum ableitet vom Begriff Negro. All die Begriffe leiten sich letztendlich vom lateinischen Begriff Niger ab, was einfach schwarz bedeutet. Der Begriff Mohr hingegen leitet sich von der lateinischen Bezeichnung Mauros, Marusianer und Mauri ab, mit dem die Berberstämme Nordafrikas seit der Periode der römischen Eroberung dieser Region bezeichnet wurden. Die Herkunft dieser lateinischen Begriffe liegt im dunkeln, es könnte sich dabei um die Eigenbezeichnung der Berberstämme in der damaligen Zeit handeln, aber eine allgemein akzeptierte Definition der Herleitung und des Ursprunges existiert nicht. 

Interessant ist dabei das die Verfasser des Briefes vom N- bzw. M-Wort sprechen, nur was passiert im Gehirn wenn ich lediglich das N- bzw. M-Wort mental verarbeite? Das Gehirn ergänzt die fehlenden Buchstaben und verarbeitet erst dann die Information. Das erfolgt unbewusst, es bleibt im Gehirn beim Neger und Mohren. Extrem problematisch finde ich es auch wenn man Bücher des 18./19. oder des 20. Jahrhunderts von Wörtern befreien möchte, man verändert dann nicht nur die Sprache, sondern auch den Sinn von Formulierungen. Würde man die Wörter Neger und Nigger aus Mark Twains Buchreihe "Tom Sawyer & Huckelberry Finn" entfernen käme ein etwas anderes Buch heraus, denn die Geschichte wird inhaltlich verändert. Die sogenannte Rassendiskriminierung in den Südstaaten der USA würde wesentlich freundlicher dargestellt, als sie eigentlich war. Bücher wie dieses sind auch Zeitdokumente und illustrieren besonders den Zeitgeist der transportiert wird über die Sprache. Das gleiche gilt auch für Filme wie "Vom Winde verweht", wenn die Sklavenhalter des Südens über ihr menschliches Eigentum sprechen. Bei letzteren würde man die Geschichte der Sklaverei dann etwas verharmlosen, denn sie sprechen dann nicht mehr in diesem speziellen rassischen Tonfall von ihrem Eigentum. 

Welche Haltung manche Aktivisten an den Tag legen erstaunt dabei, zum Beispiel soll der Roman "Onkel Toms Hütte"  eine Ausgeburt des Rassismus gegenüber Afroamerikanern sein, dabei handelt der Roman von der Sklaverei und zeigt das Leben eines schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die meisten weißen US-Bürger hatten im 19. Jahrhundert gar keinen Bezug zur Sklaverei in den Südstaaten der USA, das ganze Geschehen war sehr weit weg, eben irgendwo im Süden. 

"Am Ende wird er ermordet - doch statt sich zu wehren, verzeiht er sterbend den Sklavenhaltern",
"Man kann gegen die Sklaverei und trotzdem rassistisch sein. In dem Buch finden sich viele rassistische Stereotype."

Aktivist Moses Pölking zu Onkel Toms Hütte

Tja da fällt mir ehrlich gesagt nichts mehr dazu ein, außer das der Aktivist den Held der Geschichte abwertet als Schwächling und damit Millionen von afroamerikanischen Sklaven abwertet, die auf den Plantagen in Nord-, Mittel und Südamerika ohne großen Widerstand für ihre Sklavenhalter schufteten, denn sie wollten einfach überleben und keinen Heldentot sterben. Im übrigen hat der Aktivist das Buch absolut nicht verstanden, was im Zeitalter der Pisastudien nicht sonderlich überrascht, denn bei Onkel Toms Hütte handelt es sich um einen Roman der im Jahre 1852 erschien und die Geschichte wird dabei von der Erzählperspektive der Erzählerin die das Leben des Sklaven Tom beschreibt zwangsläufig beeinflusst. Das man dabei mit rassistischen Formulierungen konfrontiert wird ist eine Zwangsläufigkeit, denn der Roman handelt in der Zeit der Sklaverei in den Südstaaten der USA. Rassismus beruht psychologisch gesehen auf der Überhöhung des eigenen Ichs und der Abwertung anderer aufgrund äußerer Merkmale., wie zum Beispiel der Hautfarbe, aber primär des sozialen Status, das ist dem Aktivist anscheinend gar nicht bewusst. Dazu ein kleiner Auszug:

 

 

„Ich sage Ihnen, Tom ist ein ganz ungewöhnlicher Kerl. Er ist die Summe, die mir noch fehlt, überall wert. Er verwaltet meine Farm wie eine Uhr. Ordentlich und ehrlich.“ „Sie meinen, so ehrlich, wie Neger sind?“- „Nein, ich meine es wirklich.“

Auszug aus Onkel Toms Hütte

Aber die Call out Aktivisten der Initiative schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und des Antidiskriminierungsnetzwerkes Thadine sind strenggenommen auch etwas Narzistisch veranlagt, ihnen geht es vorrangig um ihr eigenes Wohlbefinden. Ein Interview zu seiner Initiative zur Umbenennung des Zehlendorfer Bahnhofs Onkel Toms Hütte mit Moses Pölking verrät dieses auch, darin gibt er zum Besten "Man solle doch den Opfern gedenken und nicht den Tätern". Der Sklave Tom ist demnach ein Täter, sicherlich war er eine fiktive Person in einer fiktiven Handlung in einem Roman, aber trotzdem ist dies eine etwas schräge Perspektive. Was Pölking nicht wiedergibt, das Buch Onkel Toms Hütte sollte seinen Lesern eines zeigen, das der Sklave Tom ein guter und frommer Christenmensch war, der es nicht verdient hatte als unfreier Mensch zu leben. Das ist eine der Triebfedern die die Bewegung des Abolitionismus in den USA antrieb, der evangelikale christliche Glaube das alle Menschen von Gott erschaffen und demzufolge gleich und frei sind. Pölking versteigt sich in seinen Aussagen dazu Vertreter dieser Bewegung des 19. Jahrhunderts als Rassisten darzustellen, ich empfinde das als sehr schräg. 

Diese Call out Aktivisten sind auch nicht daran Interessiert Geschichte aufzuarbeiten, sondern bieten ihrerseits eine etwas schräge Darstellung von Historie an. Erkennbar ist das zum Beispiel an dem offenen Brief des ISD zum Projekt "Orte der Demokratiegeschichte" der Bundesregierung.  

Ohne Zweifel hat die Paulskirche als Tagungsort der Nationalversammlung im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Symbolwert für die demokratische Tradition in Deutschland. Allerdings ist diese Tradition eindeutig verwoben mit einem entstehenden expansionistischen und kolonialismusfreundlichen politischen Grundkonsens der gro.bürgerlichen und adligen Teilnehmenden aus Politik und Kaufmannschaft. So hat sich in der Nationalversammlung eine überw.ltigende und parteiübergreifende Mehrheit für die Errichtung einer deutschen Seeflotte als auch für die Förderung deutscher Auswanderung in zu errichtende überseeische Kolonien ausgesprochen.

Offener Brief des ISD zur Initiative Orte der Demokratiegeschichte

Interessant finde ich das schon, denn die Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt/Main tagte vom Mai 1848 bis Mai 1849 und laut dem ISD fasste die Nationalversammlung 1848/49 bereits Beschlüsse die ab 1884 bzw. 1892 zum Tragen kommen sollten? Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die man kaum für möglich halten sollte, welche visionäre Parlamentarier doch das deutsche Volk hatte. 

Die Beschlüsse zur Kolonialisierung wurden im Preußischen Herrenhaus, dem Sitz des Reichstages des Deutschen Kaiserreiches von 1871-1893 verabschiedet. In die deutschen Kolonien emigrierten insgesamt um die 23.000 Personen aus Deutschland von 1884-1914, in die USA hingegen über eine Million im selben Zeitraum. Was stört die Aktivisten des ISD nun an der Paulskirche? Keine Ahnung, vielleicht liegt es daran das die Vertreter in der Paulskirche allesamt "Weiße" waren. Da bleibt dann wohl ein großes Fragezeichen. Genauso interessant ist das die Aktivisten der Anti-Rassismusbewegung genauso auf der Farbenlehre des Rassismus spielen wie auf einer Klaviatur, eben wie es Rassisten ebenso machen.  

„Weiße Journalist*innen, die was tun wollen. Schreibt nicht einfach über Rassismus, schreibt bitte über Weißsein, was es heißt, weiß zu sein, was in euch vorgeht, wann ihr verstanden habt, dass ihr weiß seid. Dann würdet ihr etwas neues zum Diskurs beitragen und nicht kopieren.“

der deutsche Journalist Malcolm Ohanwe

Hier kommt man mit der identitären Seite der schwarzen Aktivisten in Berührung, denn Sie verwenden die Farbenlehre des Rassismus als Abgrenzung zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Das Ideenkonstrukt welches dahintersteht kommt mir durchaus bekannt vor. Wie soll ein sogenannter "Weißer" über sein angebliches "Weißes Dasein" schreiben und erklären was es bedeutet "Weiß" zu sein? Fehlt da nicht etwas? Malcom Ohanwe geht es nicht um einen Diskurs über Rassismus, denn über welchen Rassismus redet er denn? Ihm geht es darum die Deutungshohheit über den Inhalt des "weißen Rassismus" gegenüber den "Schwarzen" festzulegen. Eine Kommunikation ist in dieser Form von ihm auch gar nicht erwünscht, da der Aktivist Phrasen als Mittel der Kommunikation wählt, denn in dieser Form ist die Phrase eine erstarrte Formel die die "Schwarzen" generell als "Opfer weißer Diskriminierung" definiert. Daraus ergibt sich das die Aktivisten generell festlegen das "Weiße" von ihrer weißen Natur aus den Drang haben "Schwarze" zu unterdrücken. Da dies typisch rassisch geprägte Denkinhalte darstellen kann man getrost davon ausgehen das dies den Aktivisten ebenso bewusst sein müsste, wenn dies nicht so ist sind dies zumindest kulturell geprägte erlernte Rassismen, also Phrasen die Formeln darstellen um sich sein gesellschaftliches Umfeld zu erklären. Die gewöhnlichste rassistische Phrasierung ist die Priorisierung des äußeren Erscheinungsbildes und damit einhergehend der sogenannten Hautfarbe. Interessant an Ohanwes Äußerungen ist das er sich an die Hamitentheorie im Alten Testament anlehnt, also einer Abstammungstheorie die sich auf das Alte Testament gründet, ohne dabei zu beachten das dieses sogenannte "Weißsein"der Europäer auf eine soziale Kategorie gründet die andere Träger von Hautfarben bzw. aufgrund der angeblichen Verschiedenheit ausschließt und nicht zu vergessen dieses "Schwarz-" und "Weißsein" sind Rassekategorien, das Denken in Rasse und deren Kategorien hingegen ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung. Mir könnte einer dieser Aktivisten erklären warum sie auf der Klaviatur der rassistischen Vorurteile spielen als wenn es Mozarts Zauberflöte wäre. 

Die Problematik die sich daraus ergibt ist folgende: es handelt sich um ein wirklich hehres Ziel den Rassismus zu bekämpfen, nur die Methoden und Argumente der Aktivisten sind fragwürdig und gleichen eher der stalinistischen Denkweise wer nicht mein Freund ist, ist mein Feind. Diese eher absolutistische Denkweise ähnelt auch mehr der Ideologie der identitären Bewegungen in Europa, die ihre eigene Identität engstirnig auf Begriffe reduziert wie Nation, Religion oder Kultur. Unsere Black Movement Aktivisten reduzieren sich selber auf ihre Hautfarbe als primäres Identitätsmerkmal. Um einmal auf das sogenannte N- bzw. M-Wort zurück zukommen, diese Neger und Mohren Wörter sind zugegebener Maßen für heute Lebende People of Color oder Farbige eine beleidigende Ausdrucksweise. Nur in der Geschichte haben diese Begriffe und Wörter ihren Platz und man sollte mit ihnen dem entsprechend umgehen können. Daraus ergibt sich logischer Weise ein gewisser Zwiespalt, was die Verwendung betrifft. In diesem Zwiespalt spiegelt sich auch die Wut der Aktivisten wieder und diese Wut richtet sich gegen die Geschichte der europäischen Kultur, deren Symbole und Vertreter. Der Mohr ist ein solches Symbol, dabei spielt es für die Aktivisten der heutigen Black Movement-Bewegung keine Rolle in welchem Zusammenhang ein solches Symbol verwendet wird. Wie im Text zuvor beschrieben werden dann Personen wie Dr. Martin Luther King jun., Malcom X, Frederick Douglass, Mark Twain oder eine Harriet Beecher Stowe direkt oder indirekt zu Rassisten abgestempelt. Im Brief an die Eisenberger Bürger kommt dies auch zum Ausdruck, in dem die Verfasser schreiben der Begriff Mohr sei negativ konnotiert. Das bedeutet eigentlich das die Konnotation eine mögliche Nebenbedeutung eines Wortes beschreibt, die hier als negativ angenommen wird. Dabei spielen primär persönliche Befindlichkeiten eine Rolle, denn empirisches Wissen ist nicht so das Ding der Call out Aktivisten, aber dafür sollte man auch Verständnis aufbringen.

Aber wie jetzt mit dem Eisenberger Mohrenfest umgehen? Ich für meinen Teil würde ganz gerne den Namen beibehalten. Erstens der Begriff Mohr wird in Deutschland des 21. Jahrhunderts schon lange nicht mehr als abwertende Bezeichnung für schwarze Menschen aus Afrika verwendet, es ist ein Begriff des 17./18. Jahrhunderts und die Eisenberger Mohrenplastik entstand im Jahre 1727, symbolisiert den damaligen Zeitgeist der Aufklärung. Zweitens in den Eisenberger Mohrensaga, nach der das Stadtfest benannt wurde, wurde der Mohr aus seiner Knechtschaft befreit. Da diese Saga im 19. Jahrhundert entstanden ist zeigt sie auch das der Gedanke des Abolitionismus bis nach Ostthüringen vorgedrungen war, was den Vertretern dieser Bewegung wohl eher zur Ehre gereicht als dieses recht simple Schwarz Weiß Denken über den Rassismus im Buch Onkel Toms Hütte von heute lebenden Call Out Aktivisten. Meines Erachtens muss man mit Geschichte und den Begriffen die diese prägten umgehen können, letztendlich prägt dies unser Geschichtsbewusstsein und nicht diese "Wer am lautesten schreit hat Recht" Mentalität der Call Out Aktivisten. 

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