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Etwas kontrovers, die Lage in Gaza

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Seit 30. März 2018 werden wöchentlich Demonstrationen an der Grenze vom Gazastreifen zu Israel abgehalten, mehrere Dutzend Palästinenser getötet, mehrere Tausend verletzt und alles soll Schuld der HAMAS sein? Die Empörung ist in Deutschland mehr oder weniger fast gar nicht vorhanden, denn von der deutschen Regierung gab es so gut wie keine Reaktion. Stattdessen feierte man 70. Jahrestages der Gründung Israels, unser Bundespräsident Steinmeier würdigte die guten Beziehungen ohne dabei die Besatzungspolitik anzusprechen. Dabei ist aus meiner Sicht gerade der Jahrestag der Staatsgründung Israels wohl ein ganz passender Anlass auch an den Jahrestag des Beginns der Vertreibung von rund 750.000 Palästinensern ganz offiziell zu erinnern. Hier betone ich das auch, denn wenn man den ehemaligen Ministerpräsidenten Israels Namens Menachin Begin glauben schenken darf, wäre ohne dem Massaker von Deir Yassin, der Vertreibung mehrerer Hunderttausend Palästinenser und danach von der israelischen Regierung unter Ben Gurion ausgesprochenen Verneinung des Rechtes auf Rückkehr der Palästinenser nach dem Krieg eben jener jüdische Staat Israel nicht denkbar gewesen. Das hat schon ein gewissens Geschmäckle, wie der Schwabe zu sagen pflegt.

Das in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung, dem Zentralorgan des Zentralrates der Juden in Deutschland, Artikel erscheinen das es nie eine gezielte Vertreibung gegeben hätte und damit das Recht auf Rückkehr der Palästinenser niemals geben würde spricht da schon Bände. Auch könne sich Israel nicht auf Deutschland verlassen, sicher keine Meinung des Zentralrates, aber eine Sichtweise in einem Zentralorgan das zu Denken gibt, anscheinend hat diese Sichtwiese in den öffentlich Rechtlichen Rundfunk-Anstalten auch ihren Niederschlag gefunden, die Tagesschau bezeichnet den israelischen Unabhängigkeitskrieg, wobei es wohl keinen arabischen gab, und nicht die Vertreibung als die Katastrophe, und nimmt dabei wohl eher unfreiwillig Anregungen auf die Anleihen zur deutschen Geschichte nehmen, die diese kurz nach dem ersten Weltkrieg parat hält. In dieser Sichtweise gibt zur Zeit eine gewisse Dreifaltigkeit, die Vernichtung Israels durch die Bedrohung des Iran, Hisbollah und Gaza. Ups ich meinte natürlich durch die Hamas, der Megaterrororganisation, die aus israelischer Sicht sogar in Besitz der Atombombe gelangen könnte, selbstverständlich über die Achse Gaza-Teheran.

Das obwohl Teheran gar keine Atombombe besitzt. Die Sicherheit Israels ist ein hohes GUT, wohl wahr, aber die Logik wonach die Hamas Raketen besitzt und was liegt da näher diese auch atomar zu bestücken ist wohl etwas schräg. Das diese Wortmeldungen wohl out of Reality sind merken die Autoren anscheinend gar nicht. Ja diese friedliebende israelische Community, seit beginn der Zeit kämpft sie um ihr Überleben, die Siedlungen in der Westbank legen davon ein beredendes Beispiel ab, todesmutige Juden siedeln vollkommen wehrlos in einer Region in der blutdürstige Mohamedaner leben und ihnen nach dem Leben trachten, was für ein Pioniergeist, der amerikanische Westen im Nahen Osten, wobei eine andere Sichtweise als diese wäre als antisemitisch zu bewerten. Ja man kam sah und siedelte und vertrieb bekanntlich niemanden, das Land war bekanntlich fast menschenleer und Israel besetzte bekanntlich nicht das Westjordanland, laut offizieller israelischer Lesart wurde es 1967 befreit, befriedet und letztendlich zivilisiert. Eine andersartige Lesart der Ereignisse wäre ebenfalls als antisemitisch zu bewerten. Ja die Staatsgründung Israels war ein Quantensprung und eine zivilisatorische Glanzleistung für die Völker der Region, eine andersartige Lesart der Ereignisse wäre ebenfalls als antisemitisch zu bewerten, die wenigen nicht zivilisierten leben nur noch unter Aufsicht des Militärs so lange sie nicht militant werden, eben in den befreiten Gebieten Judäa und Samaria. Ebenso hat sich Israel der Versorgung der Bevölkerung der befreiten Gebiete verschrieben. Ja Israel, ein unverstandenes Kind des europäischen Imperialismus, immerhin brachten die europäischen Kolonialmächte die Zivilisation zu den niederen Völkern, so wie es die Israelis heut zu Tage machen und naja Erez Israel ein nationales Projekt mit dem nationalistischen Gedankengut des 19. Jahrhunderts, na Prost Mahlzeit. 

Getötete und Verletzte bei den Demonstrationen
Getötete und Verletzte bei den Demonstrationen Quelle: OCHA Occupied Palestinian Territorries

Aber wie dem auch sei, seit mehreren Wochen demonstrieren Palästinenser an der Grenze vom Gaza-Streifen zu Israel und betonen dabei ihr Recht auf Rückkehr, das ist zwar illusorisch, aber primär geht es wohl den Veranstaltern darum auf die Lage im Gaza-Streifen aufmerksam zu machen, immerhin wird diese als nahezu Katastrophal beschrieben. Als Reaktion der Besatzungsmacht auf weitestgehend friedlichen Proteste wurden dabei bis dato nahezu 40 Palästinenser getötet, 8.536 weitere wurden verletzt, darunter 793 Minderjährige. Die OCHAOPT gibt dabei an das die Veranstaltungen an fünf Orten, rund 500-600 Meter Entfernung von der von Israel ausgerufenen Sicherheitszone bzw. der Grenzbefestigung stattfanden. Für problematisch halte ich darum die Aussage des israelischen Militärs das die Masse Protestierenden die Grenze überwinden wollten. Ebenso problematisch ist wohl die Tatsache das israelische Scharfschützen die Protestierenden gezielt unter Feuer nahmen und eine hohe Anzahl verletzten. 13 weitere Palästinenser wurden außerhalb der Protestveranstaltung innerhalb Gaza`s Grenzen von israelischen Scharfschützen getötet, von diesen wollten sechs die Grenze zu Israel tatsächlich überqueren. 31 weitere Zwischenfälle wurden vom 24. April bis 07. Mai berichtet in denen israelisches Militär das Feuer auf Landwirte und Fischer des Gazastreifens eröffneten. Im Westjordanland wurden in diesem Zeitraum rund 230 Palästinenser bei Demonstrationen vom israelischen Militär verletzt. Weitere 151 Palästinenser wurden im  selben Zeitraum bei 121 Search & Arrest Operationen im Westjordanland gefangengenommen. Ebenso wurden im selben Zeitraum 30 Gebäude im Westjordanland vom israelischen Militär zerstört oder beschlagnahmt, in Ost-Jerusalem waren es 10 Gebäude, von denen vier von den Eigentümern selbst zerstört wurden, nachdem israelische Behörden die Enteignung ankündigten. Ebenso wurden zwei Palästinenser von israelischen Siedler angegriffen und verletzt, insgesamt steigerte sich die Gewalt die von israelischen Siedlern im Westjordanland ausgeht in den ersten vier Monaten 2018 auf fünf Zwischenfälle pro Woche, bei denen Palästinenser verletzt oder ihr Eigentum beschädigt wurden. Das es am 11. Mai während der Demonstrationen vor dem Grenzübergang Kerem Shalom zu Vandalismus an dessen Einrichtungen auf der palästinensischen Seite kam, hatte ich irgendwie erwartet. Immerhin starb an diesem Tag ein weiterer Palästinenser und 973 wurden verwundet, davon wurden 176 von Gewehrfeuer verletzt. Das auch Ersthelfer und Ambulanzen darunter sind erstaunte mich derweil, laut der OCHAOPT wurden seit dem 30. März rund 169 Ersthelfer verletzt und 10 Ambulanzen auf palästinensischer Seite beschädigt. Das der Grenzübergang Kerem Shalom nun für längere Zeit geschlossen bleiben wird, wird die humanitäre Lage im Gazastreifen wohl noch weiter verschärfen. Kerem Shalom war bislang der einzige Grenzübergang über den Waren und Hilfsgüter den Gazastreifen erreichten. Ob der neueröffnete Cargoübergang "Salah ad Din", der neben dem Übergang Rafah zu Ägypten errichtet wurde und am 12/13. Mai erstmals seinen Betrieb aufnahm, für Entlastung sorgen kann wird erst noch zeigen. Der Personenübergang Rafah war von Januar bis März lediglich an 10 Tagen geöffnet worden. Wenn also Kerem Shalom für längere Zeit für Waren- und Hilfslieferungen ausfällt und der neue Übergang Salah ad Din genauso sporadisch geöffnet wird wie der Personenübergang Rafah dürfte es zu einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen kommen. Die Lieferungen von Diesel und Gas liegen in diesem Jahr unter den Werten des Vorjahres, die Lieferung von Medikamenten ist ebenfalls weiter rückläufig, die Vorräte an Grundnahrungsmitteln wird auf lediglich 7-10 Tage geschätzt, und die diesjährigen benötigten Mittel der OCHA für den Gazastreifen wurde von der Weltgemeinschaft erst zu 16% bereitgestellt. Man wird erst noch sehen wie es im Gazastreifen weitergehen wird, auf jeden Fall werden die Proteste im Westjordanland, Ost-Jerusalem und dem Gazastreifen heute und morgen in einem Höhepunkt kulminieren, da bin ich schon einmal auf die Aktionen und Reaktionen gespannt.  

Ich habe auch ganz bewusst von der Besatzungsmacht Israel im Falle des Gazastreifens geschrieben, denn laut den Prinzipien der sogenannten The Cabinet Resolution Regarding the Disengagement Plan vom 06. Juni 2004 hat Israel lediglich sein Militär und die israelischen Siedlungen aus dem Gebiet zurückgezogen. Die Kontrolle über die Grenzen, auch der zu Ägypten die als Philadephi-Route bezeichnet wird, ebenso die Kontrolle des Luftraums, der Seegrenze wird durch den israelischen Staat ausgeübt. Auch bei dem Grenzübergang Gaza-Ägypten werden die bestehenden Maßnahmen und Vereinbarungen weitergeführt. Hinzu gekommen ist das die Überwachung und Ausbildung von Grenzsoldaten auf ägyptischer Seite der Multinational Force and Observers bereits 1981 übertragen wurde. Sitz der Organisation ist Rom, Italien. 2005 wurde der Aufgabengenbreich der MFO erweitert, hinzu gekommen ist die Überwachung der sogenannten Philadephi-Route, also jenem 14 Kilometer langen Grenzabschnitt Gazas zu Ägypten. Diese Ausweitung des Aufgabenbereiches wurde zwischen Ägypten und Israel verhandelt, nicht mit den Palästinensern. Hauptaufgaben sind die Unterbindung von terroristischen Aktivitäten, Grenzschmuggel und illegalen Grenzübertritten, Ansprechpartner der MFO sind die Behörden von Ägypten und Israels Defence Force. Der Grenzübergang Rafah wird auf palästinensischer Seite von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Zusammenarbeit mit der EU Border Assistance Mission at Rafah Crossing Point (EU BAM Rafah) betrieben. Grundlage hierfür ist das Abkommen Movement and Access from and to Gaza vom 12. November 2005, das zwischen der PA und Israel geschlossen wurde. Die EU BAM wird als dritt Partei in dem Vertrag genannt, diese kann laut dem Vertrag auch einen Grenzübertritt von Personen und Gütern verhindern. So wie ich das verstehe kann die EU BAM auch die Schließung des Grenzüberganges veranlassen, wenn sie Zweifel Leitungsfähigkeit des Personals oder am Zustand der techn. Ausrüstung hat. Interessant daran ist das EU BAM sowohl mit der PA und der Israeli Defence Force zusammenarbeitet. So wie ich das sehe hat die PA keine eigenständige Kontrolle über diesen Grenzübergang und wie ich verstehe war der Rückzug der Streitkräfte Israels keinesfalls mit einem Kontrollverlust über das Gebiet des Gazastreifens verbunden. Wenn man sich das Agreement on Gaza and Jericho Area von 1994 und das Israeli-Palestinian Interim Agreement von 1995 durchliest gehört der Gazastreifen zur Zone A der Autonomiegebiete aus der sich die israelischen Sicherheitskräfte zurückziehen sollten. Im Grunde genommen war der Disengagment-Plan von 2004 eine etwas erweiterte Form davon, da es auch die Siedlungen umfasste. Also von einer Selbstverwaltung des Gazastreifens kann also nur in einem sehr eingeschränkten Maße die Rede sein.

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