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Wahrnehmung schafft Realität

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Wahrnehmung schafft Realität

Nur einmal prinzipiell unser Handeln orientiert sich nicht daran, wie die Welt ist, sondern daran, wie wir sie wahrnehmen. Je vielschichtiger unsere Wahrnehmung, desto besser die Basis für ein verstehen von Problemen und Sachverhaltskomplexen, denn Wahrnehmung hängt zuerst mit dem Denken und erst in der zweiten Dimension der Informationsverarbeitung mit dem Nachdenken zusammen. Man kann wohl davon ausgehen das die Wahrnehmung unserer Umwelt zuerst zufällig und ungezielt erfolgt. Wenn jedoch dem Beobachteten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, erfolgt das Nachdenken, dann Analysieren und bewerten wir es. Dazu benötigt das Gehirn jedoch zusätzliche Informationen um das Bewerten des Wahrnehmungs- bzw. Informationsinputs zu ermöglichen. Je vielschichtiger dabei die Herangehensweise bei der Analyse des Beobachteten desto näher kommen wir der Realität. Jedoch dass wir die Realität jemals objektiv wahrnehmen könnten, hat der griechische Philosoph Sokrates (470 – 399 v. Chr.) schon vor mehr als 2400 Jahren eigentlich verneint. Sokrates meinte, dass die Wahrheit dem menschlichen Erkenntnisvermögen prinzipiell unzugänglich ist, nur bei unmittelbar beobachtbaren Sachverhalten ("Der Mond ist rund") könnten wir zweifelsfrei feststellen, ob eine Aussage der Realität entspricht oder eben auch nicht.

Um bei Sokrates zu bleiben, er bezeichnete viele Politiker des antiken demokratischen Athens der Dummheit, weil sie ihre Überzeugungen ständig mit der Wahrheit verwechselten und nicht in der Lage (oder nicht bereit) waren, sauber zwischen beidem zu unterscheiden. In zweiter Linie sagte er auch das die Intoleranz von Politikern ein Übel sei, weil sie seiner Meinung nach die Meinung anderer nicht gelten ließen, sondern immer nur ihre eigene – vermeintlich wahre – Auffassung für die einzig richtige hielten und somit der Realität nicht Rechnung trugen. Nimmt man die Aussagen von Politikern zur deutschen Einheit und zwar die Aussagen die am Anfang des Prozesses standen erkennt man schnell, diese Aussagen hatten wenig Bestand vergleicht man sie mit den späteren Realitäten, speziell den sozialen Realitäten die sich entwickelten. Nimmt man zum Beispiel die Proteste in Ferguson oder aktuell in Baltimore in den USA, die sich gegen die Polizeigewalt richten, so sind die unterschiedliche Behandlung von Farbigen und Weißen durch das Justizsystem der USA keine umwerfende Neuigkeit. Eigentlich wollte Obama laut seinem Wahlkampf 2008 dieses damals angehen, jedoch getan hat sich wenig. Er versprach mehr Chancengleichheit, ein geändertes Justizsystem und und und. 2013 konstatierte Obama: "Vor 35 Jahren hätte ich Trayvon Martin sein können". Warnte gleichzeitig vor etwaiger Gewalt bei Demonstrationen und setzt aber in seiner Außenpolitik auf Gewalt, so in Afghanistan, Jemen, Somalia usw., war aber überzeugt davon das er auf dem richtigen Weg ist. Dann 2014 der Tot des Michael Brown in Ferguson, Obama nannte den Tot des Jugendlichen "Herzzerreißend" versprach wiederum Änderungen und sagte: "Keine Entschuldigung für eine excessive Gewaltanwendung durch die Polizei". Im Dezember 2014 konstatierte Obama: "Der Rassismus ist tief in der US-Gesellschaft verwurzelt". 2015 Obama zu den Ausschreitungen die durch den Tot des Farbigen Freddy Gray im Polizeigewahrsam in Baltimore verursacht worden: ''No excuse' for violence in Baltimore". So entsteht in dieser Wahrnehmung für viele US-Citizens dann aber auch eine Realität, das man enttäuscht ist vom einstigen Hoffnungsträger und sich von der Politik abwendet.

…dieser glaubt doch, etwas zu wissen, was er nicht weiß, ich aber, der ich nichts weiß, glaube auch nicht zu wissen. Ich scheine doch wenigstens um ein Kleines weiser zu sein als dieser, weil ich, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube…

Sokrates

Wahrnehmung schafft Realität

Was mir aber persönlich immer wieder auffällt ist das Nachrichten nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen muss. Die Sache mit den Nachrichten hat einen gewaltigen Haken, wichtige Hintergründe zur Nachricht bleiben zumeist unerwähnt. Ebenso die Meldungen, in denen Alpha-Persönlichkeiten ihre persönlichen Gewissheiten mit dem Anspruch auf Wahrheit verkünden: "Die Bundeskanzlerin (US-Präsident, Bundespräsident ...) ist zutiefst davon überzeugt, dass ..." oder "Ich glaube...." .

Hat diese Person nun mehr Informationen als ich? Worauf beruht diese Gewissheit? Wie ist der Zusammenhang zwischen der Information und anderen (konträren) Tatsachenbeständen überhaupt zu verstehen? Fragen über Fragen folgen dann, denn es ist schwer, mit dem Bewusstsein zu leben, die Realität dieser Alpha-Persönlichkeiten nicht erkennen zu können – und es ist noch schwerer, in diesem Bewusstsein zielgerichtet und entschlossen zu handeln. Eines sollte man sich nun wiederum vor Augen halten: Überzeugungen und Gewissheit besagen bei genauerer Betrachtung eigentlich nur eines aus, dass wir den Wahrheitsgehalt einer Aussage eigentlich nicht ernstlich in Zweifel mehr ziehen. Das heißt, Überzeugungen, Glauben und Gewissheit ist der Umstand den wir für Wahrheit halten – unabhängig davon, ob diese Aussage tatsächlich stimmt. Aber warum schenken viele Menschen nun dem auch Glauben, nur weil ein Alpha-Tierchen etwas behauptet? Vielleicht weil sie Teil der Erkenntnis sein wollen?

Nimmt man das Massenmedium Fernsehen, für viele ist das Fernsehen die erste Adresse für die Informationsgewinnung geworden und ein beliebtes Format sind sogenannte Talk-Shows. Besonders politische Talkshows erfreuen sich einer besonderen Beliebtheit, könnte man meinen. So in diesen Shows reden und diskutieren viele gescheite Leute, aber kommen richtige Erkenntnisse nicht allein dadurch zustande, dass man nur lange und intensiv genug miteinander redet? Ich würde einmal sagen nein, denn in diesen Shows prallen einfach nur einzelne Realitäten aufeinander ohne das es einen Konsens gibt. Oftmals sind die Beweisführungen einfach nur durch Aussagen der Kontraenden bestimmt, ohne das es ersichtlich wird wie die Erkenntnis überhaupt zu Stande kam. Da wurden zumeist Themen diskutiert, die eigentlich schon erstaunlich sind. Wie zum Beispiel ganz aktuell: Ist Deutschland von der Sowjetunion vom Faschismus befreit worden? oder 70 Jahre nach der Befreiung - Müssen wir Russland heute noch dankbar sein? Da hierzulande derzeitig anscheinend ein Kampf um die Berechtigung zum Tragen des Titels Befreier tobt, erkennt man schnell es ist ein Deutungskampf um den Begriff Befreier/Befreiung. Auch sollte man sich daran Erinnern, das der Befreier der den Befreiten befreite, zuallererst diesen AUS oder VON etwas befreite, hier vom Hitlerfaschismus und NICHT ZU ETWAS befreite wie viele zu Glauben scheinen. Denn dehnt man die Suche nach dem Sinn des Begriffes Befreier stößt man schnell auf den Duden, dort heißt es: Substantiv, maskulin - Person, die jemanden, etwas befreit. Das viele sich als Opfer der Befreiung heutzutage fühlen kann ich zwar nicht so richtig verstehen spiegelt aber eine mögliche Wahrnehmung der Realität der Befreiung vom Hitlerfaschismus wieder und weckt wiederum Assoziationen an die Entnazifizierung in den westlichen Besatzungszonen, oder kann mir jemand einmal erklären wie ein Ausschwitz-Aufseher mit 93 Jahren im Jahre 2015 noch vor Gericht gestellt werden kann wenn es eine Entnazifizierung oder juristische Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reiches, der Shoa usw. hierzulande gegeben hätte? Aus dieser Logik und Sprachdeutung heraus sind meiner Meinung nach alle Diskreditierungsversuche die darauf abzielen, das ja NUR die Westalliierten befreiten, da ja die Sowjetunion seinerseits als Stalins Staat kein Muster an Freiheit war, schlicht verfehlt. Und selbst wenn man zugesteht, das das Danach eine Rolle spielt, so kann man auch festzustellen, das selbst Stalins Ostdeutschland besser da stand, als ohne diese Befreiung. Es geht dabei primär um eine Form des Geschichtsrevisionismus.

Oftmals wird auch versucht einen recht komplexen Sachverhalt auf einen recht einfachen Nenner zu bringen, dieses erzeugt jedoch eine Form der Komplexitätsreduktion bei der dann wichtige Informationen einfach ausgeblendet werden. Wie beim aktuellen BND-Skandal mit der Zusammenarbeit des Geheimdienstes BND mit der NSA und dem Thema der Wirtschaftsspionage. Nun verlangen die Abgeordneten der Opposition die Herausgabe der Selektoren-Liste von der Regierung. Das hat schon etwas, denn die Zusammenarbeit von BND und NSA bei der SIGINT-Aufklärung wurde 2002 ganz offiziell lanciert, 2008 übernahm der BND die Field-Station 51 im ECHELON-Programm der NSA in Bad Aibling von dieser und hört in Zusammenarbeit mit der NSA seit dem fremde Länder und mit Hilfe von Ausnahmeregelungen auch Teile des Inlands ab. Grundlage hierfür ist nun das sogenannte G-10 Gesetz, das bekannter Weise das Post- und Fernmeldegeheimnis betrifft. Laut Tätigkeitsbericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKGr) des Deutschen Bundestages für das Jahr 2013 verwendete der BND selber nur im Gefahrenbereich Proliferation und konventionelle Rüstung (§5 Absatz 1, Satz 3, Nummer 3 G-10 Gesetz) 11.696 Suchbegriffe. Ein anderes Wort für den Begriff Suchbegriff ist das Wort Selektor, da die Suche allgemein bestimmt ist und durch die Selektion präzessiert wird. Das man nun 2015 auf die Idee kommt einmal nachzusehen was das überhaupt für Suchbegriffe sind, hat schon was, aber zeugt nicht gerade davon das dieses Kontrollgremium und der Bundestag in der Vergangenheit eigentlich wussten was der BND mit seiner Zusammenarbeit mit der NSA eigentlich so trieb. Das andere Pikante ist, der BND und die amerikanische NSA sind beides Auslandsgeheimdienste und arbeiten im Auftrag ihrer jeweiligen Regierung, diese sind Verbündete und wie Frau Merkel immer sagt "befreundet". Warum denn nicht den Geheimdienst des Freundes dazu nutzen um Informationen über das jeweilige Inland zu generieren, deren Erhebung den eignen Geheimdiensten eigentlich untersagt ist? Wenn man davon ausgeht das der BND Partner im NSA-Programm RAMPART-A ist wird die Dimension etwas deutlicher. Dieses Programm betreibt die NSA zusammen mit 33 ausländischen Geheimdiensten, darunter der BND, und versetzt sie in die Lage drei Terrabyte an Daten pro Sekunde zu sammeln. Da kann man sich vorstellen das es eigentlich nicht nur um die Beziehung des BND zur NSA geht, sondern auch zu den anderen dreiunddreißig Geheimdiensten. Überhaupt scheint das eine recht einseitige Zusammenarbeit gewesen zu sein, es wird ja immer behauptet der BND gab Daten an die NSA, aber kam da nichts zurück?

Die von der Bundesregierung versprochene restlose Aufklärung steht wohl aus diesem Grunde eigentlich in den Sternen, denn wer lässt sich schon in die Karten sehen. So lässt sich auch das gesammelte Desinteresse der Bundesregierung seit den Snowden-Leaks im Jahre 2013 eigentlich erklären. Das jetzt bekannt wurde das die Zielvorgaben der NSA beim Bundesnachrichtendienst nicht mehr vor liegen passt da vollkommen in das Bild, denn man wird wohl von Seiten der Bundesregierung unter Merkel eher vergebens auf eine Aufklärung des BND-NSA Skandals warten, denn reiht man die Geschehnisse seit 2013 aneinander zeigt sich die Bundesregierung hatte von Anfang an kein Interesse an einer Aufklärung. Unvergesslich sollte die Erklärung des einstigen Kanzleramtschefs Pofalla sein, als er auf dem ersten Höhepunkt der NSA-Affäre 2013 nach den Snowden-Leaks stolz erklärte: "Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung, wie immer wieder fälschlich behauptet wird." Präziser widerlegt wurde Pofalla nun durch den sogenannten BND-Skandal. So entsteht auch die Wahrnehmung aus der eine Realität entsteht, das man schlicht und ergreifend belogen wird.

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