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Die Wettbewerbsfähigkeit

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Ich fange diesen Post mit einem Zitat von Fr. Dr. Angela Merkel an, welches ich einmal gelesen habe: "Schauen Sie – wenn ich das einfach noch einmal sagen darf -: Die Welt hat 7 Milliarden Einwohner. (Soweit das Bekannt ist kam der 7 Mrd. Mensch Ende 2011 in Manila zur Welt, welch umwerfende Erkenntnis). Alle möchten in Wohlstand leben (Ja wer möchte das nicht). Als Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag gesprochen hat, gab es auf der Welt 2,5 Milliarden Einwohner. Wir Europäer waren 500 Millionen. Wir Europäer sind heute noch 500 Millionen. (Welches Europa meint sie denn nur?? Damals gehörte die Sowjetunion anscheinend zu Europa und Russland heute nicht mehr?) Wir stellen inzwischen noch 8 bis 9 Prozent – genau: 8,7 Prozent – der Welteinwohnerschaft. Wir erarbeiten 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt. Wir haben ungefähr 50 Prozent der Sozialleistungen auf der Welt (Was für ein Deutsch, wer ist denn wir?). Wenn wir für dieses Sozialmodell, für das wir alle bzw. mehr oder weniger alle in verschiedenen Variationen einstehen, wenn wir für die soziale Marktwirtschaft der Zukunft kämpfen wollen, dann müssen wir sehen: Wir werden ohne Wettbewerbsfähigkeit den Wohlstand unseres Landes und Europas nicht erreichen. Wettbewerbsfähigkeit ist kein Selbstzweck. Wettbewerbsfähigkeit sagt doch nicht anderes aus, als dass unsere Unternehmen in der Lage sind, auch außerhalb Deutschlands ihre Waren zu verkaufen: Autos von VW und anderen Automobilunternehmen, chemische Produkte und vieles andere mehr. Das bedeutet Wettbewerbsfähigkeit".

Wenn ich den Gedanken zu Ende denke, könnte dieses dabei herauskommen: auf der Welt leben 7 Mrd. Menschen, Anfang 2011. Davon hungern 1 bis 1,5 Mrd., 1,5 bis 2,5 Mrd. Menschen haben keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser. 4 bis 5 Mrd. haben nur geringen bis keinen freien Zugang zu medizinischer Versorgung. Ca. 3 Mrd. Menschen leben von weniger als 1,5 $ am Tag, wobei das nur statistische Größen sind. Aber unsere Bundeskanzlerin redet eigentlich um den heißen Brei und will nicht so recht raus mit der Sprache, was sie eigentlich sagen möchte. Nun könnte es sein, das es ihr anscheinend darum geht, dass die Sozialleistungen in Europa für Fr. Merkel viel zu hoch sind. Auch sie redet von Europa wie von einem fernen Lande: Wir werden ohne Wettbewerbsfähigkeit den Wohlstand unseres Landes und Europas nicht erreichen. Wir haben doch schon den welthöchsten Wohlstand, aber es geht ihr ja um die Wettbewerbsfähigkeit, nun wenn wir die Verhältnisse in dieser Welt nur auf Deutschland übertragen, dann müssten nach der merkelschen 'Logik' demnächst wohl grob gerundet 10 Mio. Menschen Hunger leiden bzw. vom Verhungern bedroht sein. Rund 15 bis 20 Mio. Menschen dürften sich kein sauberes Trinkwasser mehr leisten können und gar 50 Mio. Deutsche haben keinen oder nur geringen Zugang zur medizinischen Versorgung.

Wenn man Fr. Merkel glauben schenken darf ist erst dann die „Gerechtigkeit“ weltweit hergestellt, wenn die Sozialleistungen in Deutschland so hoch wie die im Tschad sind. Damit VW seine Autos verkaufen kann, soll sich Deutschland und Europa bei sozialen Ausgaben an den Tschad annähern und im Tierschutz wahrscheinlich an Indien, da sind ja Rindviecher heilig, im Gegensatz zu Deutschland und Europa und im Arbeitsrecht an Vietnam. Hierzulande werden ja bekanntlich einige Menschen, z. Zeit ca. 15 Mio.+ 2,5 Mio. Kinder eher respektlos als Rindviecher behandelt, aber Menschen sind ja nicht heilig selbst bei den Hindus nicht. Also wenn man es etwas sarkastisch ausdrücken möchte: ein Kastensystem haben wir in der westlichen Welt inzwischen ebenso etabliert und die Sozialhilfeempfänger sind bekanntlich so etwas wie in Indien die Kaste der Unberührbaren.

Was mich immer sehr beeindruckt sind vor allem diese eigentlichen Hohlheitsargumente: die Wettbewerbsfähigkeit, die Märkte, die Globalisierung usw., die unsere Politiker so gerne verwenden wenn sie dem Volke sagen wollen: Wir müssen unsere Ansprüche runterschrauben, damit wir so weiter leben können wie bisher. Was an für sich schon ein Widerspruch ist. Aber viele Menschen meinen auch Deutschland wäre ein Sozialstaat, was so gesehen nicht ganz stimmt. Ich möchte die Frage zu obigem Zitat nachgehen, ob wir den recht hohen Wohlstand nun wegen oder trotz der vielen Sozialleistungen errungen haben? Oder sind die „vielen“ Sozialleistungen ein Hindernis, für wirtschaftliches Wachstum? Oder ist das Mitbestimmungsrecht, das seit dem 19. Jahrhundert errungen wurde hinderlich für wirtschaftliches Wachstum? Für was ist der sogenannte Sozialstaat ein Hindernis? Würde es den Menschen heute besser gehen, wenn wir Gesamtwirtschaftlich wesentlich geringere Ausgaben für Sozialleistungen hätten?

Theorie:

Aber zu aller erst zur Theorie, was ist ein Sozialstaat? In einem Sozialstaat hat bekanntlich jeder Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung und zu Bildung, unabhängig davon, ob sich die Menschen Gesundheit oder Bildung leisten können. Der Sozialstaat strebt bekanntlich durch sein Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit für jedermann an, um die Möglichkeit der Teilhabe aller Bürger an den gesellschaftlichen Prozessen und die Mitbestimmung in politischen Entwicklungen zu gewährleisten. Im Prinzip bezeichnet der Ausdruck der Sozialstaat auch die Einbindung aller staatlicher Einrichtungen, Steuerungsmaßnahmen der Legislative in der Gesetzgebung (Normen), um das Ziel zu erreichen, Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen von „marktwirtschaftlichen“ Fehlentwicklungen abzufedern. Der Staat verpflichtet sich, in Gesetzgebung und Verwaltung für einen sozialen Ausgleich innerhalb der Gesellschaft zu sorgen, so zumindest die Theorie. In dieser recht weiten und unbestimmten Fassung ist der Sozialstaat im Grundgesetz mit den Formulierungen "sozialer Bundesstaat" (Art. 20,1) sowie "sozialer Rechtsstaat" (Art. 28,1) als allgemeine Staatszielbestimmung normiert worden. (1) Die Betonung liegt hier auf die Nominierung, denn in der Bundesrepublik leitet sich daraus lediglich ein Sozialstaatsgebot als Staatsziel ab, das heißt es können keine rechtlichen Ansprüche aus diesem Gebot geltend gemacht und keine sozialen Leistungsnormen daraus abgeleitet werden, da es keine juristische Definition in der BRD für einen Sozialstaat gibt. Der einzigste Staat, auf deutschen Boden, der den Sozialstaat teilweise in der Verfassung verankert hatte war die DDR. Mit der Wiedervereinigung erlosch jedoch deren Verfassung, da die DDR rechtlich der Bundesrepublik beitrat und somit deren Rechtsprechung und das Grundgesetz übernahm.

Kleiner historischer Abriss:

Die Frage der sozialen Gleichberechtigung und Mitbestimmung entstand eigentlich schon im Zeitraum der beginnenden Industrialisierung, Ende des 18. Anfang des 19. Jahrhunderts. Damals wurde die Diskussion über die sogenannte Arbeiterfrage losgetreten. Diese zieht eigentlich durch die Schriften von Marx und Engels wie ein roter Faden. Diese beeinflussten die Arbeiterbewegung maßgeblich, die Forderungen von Marx und Engels basierten auf einer Basisdemokratischen Gesellschaft, in deren Fokus der gesamtgesellschaftliche Nutzen der Wirtschaft steht, um ein hohes Maß an Mitbestimmung und die Förderung der sozialen Teilhabe an den Gewinnen der Unternehmen zu garantieren. Einen anderen Ansatz entwickelte Lorenz von Stein, der die Begriffe soziale Reform und sozialer Demokratie prägte, diese sah er jedoch innerhalb einer bürgerlichen Demokratie und der Marktwirtschaft verankert, diese Idee beeinflusste die entstehende Sozialdemokratie, der damals schon angepassteren Form der Arbeiterbewegung. Nach dem ersten Weltkrieg begann im Zuge der Wirtschaftkrisen und der Niederschlagung der revolutionären Bewegung in Deutschland, in den 1920er Jahren, die Frage der sozialen Grundabsicherung zu stellen. Es wurden durch staatlich regulatorische Eingriffe Möglichkeiten geschaffen, durch die offiziell die Herstellung eines höheren Maßes an sozialer Gerechtigkeit angestrebt wurde. Diese Maßnahmen wurden unter den Begriffen Sozialreform, Sozialismus und vor allem unter dem Namen Sozialpolitik publik. Anfang der 1950er entwickelte sich daraus in der BRD der Name soziale Marktwirtschaft, damals auch als Neoliberale Marktwirtschaft bekannt. Jedoch klammerte sie die Gerechtigkeitsfragen innerhalb der liberalen Rechte, d.h. Eigentums- und negativen Freiheitsrechten, weitestgehend aus. Sie fanden auch keinen Eingang in das Grundgesetz, dieses eröffnete den Bürgern lediglich private gesicherte Freiräume mit individueller Selbstbestimmung - ohne eine zentrale rechtliche Regulierung der Verteilung von Risiken, Möglichkeiten und Ressourcen. (2)

Die formelle Unbestimmtheit des Begriffes Sozialstaat und Einhergehend mit dieser Unbestimmtheit das Fehlen der Bestimmung von sozialen Rechten in der Verfassung hat sich bis heute nicht geändert. Die Theorieentwicklung des Sozialstaates erstreckt grundsätzlich sich bis hin zur Gerechtigkeitstheorie. Diese versuchten die Möglichkeiten einer Konstruktion von sozialstaatlichen Grundprinzipien zu erarbeiten, z.B. bei John Rawls und Thomas H. Marshall, jedoch fand dieses bislang keinen Eingang in die staatsrechtlichen Grundprinzipien der entwickelten bürgerlichen Demokratien. Daraus erschließt sich auch, in der Bundesrepublik gab es noch gar keinen verfassungsrechtlichen Sozialstaat, sondern lediglich ein auf Erwerbsarbeit basierendes Sozialversicherungssystem. Arbeitsrechtliche Regelungen basieren hierbei auf den vertraglichen Regelungen des in den 1920er Jahren entwickelten Arbeitsrechtes, als staatlich geschützter Sphäre gesellschaftlicher Sozialgestaltung.

Die Krise:

Das Abschmelzen der Leistungen der aus Erwerbsarbeit basierenden Sozialleistungen und der Rückbau der vertraglichen Regelungen im Arbeitsrecht wurde gemeinhin als Sozialstaatskrise bezeichnet, weil dieser nicht mehr zu finanzieren sei. Anfang der 1990er Jahre war es jedoch prinzipiell noch keine Krise des gesellschaftlichen Wohlstandes, sondern sie wurde bewusst herbeigeredet. Grundlage hierfür bildete die seit Mitte der 1960er Jahre zu beobachtende technologische Revolution durch die elektronische Datenverarbeitung, durch die arbeitskraftintensive Arbeitsvorgänge weitestgehend rationalisiert werden und die nun nicht mehr benötigten Arbeitskräfte freigesetzt werden konnten. Einhergehend folgte seit dieser Zeit eine Neudefinition der Arbeitswelt für die sozialversicherungspflichtig erwerbstätig Beschäftigten. Der Anspruch auf Vollbeschäftigung ließ sich ab dieser Zeit nicht mehr aufrecht erhalten und im Grunde genommen wurde dieser Anspruch ab Anfang der 1970er Jahre auch fallengelassen. Ab Mitte 70er Jahre entstand bereits auch eine Diskussion die sich um die sogenannte Entgrenzung des Staates drehte, ein Vorläuferargument für die spätere Formulierung „Globalisierung“. Grundlage hierfür waren die immer größer werdenden Belastungen der Sozialversicherungen, durch die nicht mehr einzahlende Bevölkerung, den Arbeitslosen, deren Zahl bis 1982 auf über 3 Mio. in der Bundesrepublik anstieg. Die Politik reagierte auf diese Entwicklung zunächst in den 70er Jahre eher pragmatisch auf diese Entwicklung, man baute den Sozialhilfebereich zunächst aus. In den 80er Jahren wurde diese Politik, unter dem Eindruck der Reaganomics und des Theatherismus, immer mehr, zunächst unsystematisch, hin zu einer vermeintlichen Spar- bzw. Konsolidierungspolitik ausgerichtet. Es entstand eine grundsätzliche Kritik an Bürokratisierung und einer angeblichen zu großen Verrechtlichung der Sozialversicherungssysteme - und zwar von allen Seiten, sowohl aus konservativ-liberaler, wie auch aus sozial-, ökologisch-, und auch aus alternativer Perspektive, eigentlich übernahm ab dieser Zeit die das Primat der Ökonomie das Heft des Handels in zahlreichen sozialen Dienstleistungen der Gesellschaft. Die Unternehmen beklagten gleichzeitig zu hohe Kosten in der Produktion, die angeblich auf dem Faktor der zu hohen Löhne basieren sollte, auch gingen einige große Unternehmen, die Industriegeschichte geschrieben haben, in Konkurs. Die Gründe waren schnell ausgemacht, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den neuen Konkurrenten aus Fernost wurde dafür verantwortlich gemacht. In den Medien wurde seitdem fast schon ein Mantra daraus gestrickt, wenn es hieß Sozialleistungen und Löhne zu senken und die Massenarbeitslosigkeit zu erklären wird das Mantra der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit bemüht, um den Erwerbstätigen den Eindruck zu vermitteln ihre hohen Löhne und die hohe Sozialleistungen wären daran Schuld wenn die Wirtschaft schwächelt und nicht die Entscheidungen die die Geschäftsleitungen treffen.

Die Therapien die diesen Entwicklungen entgegengesetzt werden sollten wurden unter dem Titel "Entstaatlichung" des Staates ins Feld geführt und zielten in Richtung der „Märkte“, in Richtung einer sogenannten "Wohlfahrtsgesellschaft", in der Netzwerke von Selbsthilfeinitiativen neue Formen der sogenannten „eigenverantwortlichen Solidarität“ zu schaffen und den Staat, besser gesagt die Gesellschaft, aus ihrer sozialen Verantwortung entlassen werden sollten. Die sogenannten Reformen des Theatherismus in Großbritannien erhielten bei den Befürwortern einen gewissen Vorbildcharakter, vordergründig erzeugte diese Politik niedrige Arbeitslosenzahlen, jedoch sind das geschönte Zahlen, denn die Langzeitarbeitslosigkeit wird in Großbritannien zum großen Teil von anderen Sozialversicherungssystemen aufgefangen, wie den Krankenkassen. Die Schlagworte wie die Wettbewerbsfähigkeit, der Eigenverantwortung, der demographische Faktor, der Sozialstaatsschmarotzer, die Überfremdung machten die Runde und wurden breit in den Medien publiziert, wenn es darum ging die Veränderung von Familienstrukturen, den Verschiebungen in der Altersstrukturen in der Gesellschaft, den Bestrebungen und Erfolgen der Frauenbewegung, der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, den Tendenzen zur „neuen Armut“ mit der Gefahr sozialer Spaltung sowie der Erkenntnis, schon seit längerem in einem Einwanderungsland zu leben zu erklären. Es wurde bereits in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre immer deutlicher, das die Vorgaben der den bundesdeutschen Sozialversicherungsmodellen zu Grunde gelegten Grundprinzipien brüchig zu werden drohten. Zugleich wurde den politisch Agierenden immer klarer, dass der Erhalt eines auf Umlageverfahren basierenden Sozialversicherungsmodelles eine nur geringe politische Attraktivität bei den Wählern entfalten konnte. Durch die vermeintlichen Erfolge des Theatherismus in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Untergang der sozialistischen Staaten gewannen immer stärker marktradikale neokonservative Positionen an Bedeutung, die den Sozialstaat als zentralen Verursacher ökonomischer und sozialer Verwerfungen identifizierten. Hinzu kam das durch die Privatisierungen der Staat sich selber in seinen eigenen Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitswelt beschnitt. So oder so lauteten bei der deutschen Wiedervereinigung die neuesten Erkenntnisse zum Thema bundesdeutscher Sozialstaat, laut einer allgemein von der Politik, Wirtschaftsvertretern und in den Medien verbreiteten Auffassung waren die Sozialversicherungssysteme in ihrer bisherigen Form nicht mehr zu finanzieren und das wurde so auch publiziert.

Befanden sich die Sozialversicherungssysteme, und damit die Grundstruktur in den Sozialgesetzgebung, bereits seit Mitte der 1970er Jahre in der politischen Defensive, so werden in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Grundprinzipien der Sozialversicherungssysteme und der Gesetzgebung zu der sogenannten Solidargemeinschaft sowie die Legitimationsgrundlagen der Sozialgesetzgebung ganz offen in einem Teil der Öffentlichkeit zur Disposition gestellt. Die Offenheit und Unbestimmtheit des Sozialstaatsbegriffs führten dazu, dass weder Grenzlinien der Kürzung von Sozialleistungen benennbar noch Vorgaben für eine der Zeitangemessene und zukunftsweisende Reformulierung der gerechtigkeitsorientierten Ziele von Sozialstaatlichkeit aufzufinden sind. Zum offenen Bruch mit dem Sozialstaatsgedanken kam es in den 1990er Jahren. Die Politik begünstigte vordergründig eine stärkere Rolle privatwirtschaftlicher Akteure in der sogenannten Wohlfahrtsproduktion, das Grundmantra welche der Bevölkerung präsentiert wurde war die Eigenverantwortung, sowohl in der Altersvorsorge, wie auch in der Krankenversicherung. Sozialpolitische Felder wurde zunehmend für private Dienstleistungsbetriebe geöffnet. Diese wurde schrittweise bis 2002 zu sogenannten Märkten entwickelt und es entstanden die Pflegeversicherung, private Anlageformen für die Alterssicherung und private Krankenersicherungen für jedermann. Primäre sozialstaatliche Politik erhält dadurch den Charakter einer marktregulativen Politik (Leisering 1999), die sich beschränkt auf die Begrenzung der Sozialabgaben (Höchstgrenzen für Sozialversicherungsbeiträge festlegt) und nur in einer Kombination von Sozialversicherung und privater Eigenvorsorge ein eher niedriges Versorgungsniveaus sichern soll, siehe Riester-Rente. Die vielfältigen sogenannten Reformen der rot-grünen Regierungskoalition in den Jahren 1998 bis 2005 hat die Legitimationskrise des Sozialstaates durch die stärkere Akzentuierung der "Eigenverantwortung" des Einzelnen eher verschärft als sie aufzulösen. Die Agenda 2010 änderte daran jedenfalls auch recht wenig. Die Einführung von Niedriglohnsektoren in der Wirtschaft, verschärfte den Druck auf die Sozialversicherungssysteme, so das es zum Rückbau der Leistungen durch die Träger kam, weitere Marktnischen wurden damit den privaten Dienstleistungsanbietern geöffnet. Die Offenheit und Unbestimmtheit des Sozialstaatsbegriffs in der Bundesrepublik führte letztendlich dazu, das der Sozialstaatsgedanke zu Grabe getragen und frühere Aufgaben in der Absicherung der erwerbstätig Beschäftigten zu großen Teilen an privaten Dienstleistungsanbietern überantwortet wurde. Selbst die Krisen in der Finanzwirtschaft 1992-94, 1997-99, 2001-03 und seit 2007 führten bislang nicht zu einem Umdenken, sondern wie eingangs erwähnt, soll unter dem Mantra der Wettbewerbsfähigkeit, die Sozialversicherungssysteme in ihrer Leistungsfähigkeit weiter beschnitten und immer mehr Leistungen an private Anbieter transferiert werden und durch staatliche Eingriffe sollen diese Anbieter eine größere Profitabilität erhalten, aber nicht deren Produkte. Wie die Absenkung der Mindestverzinsung bei kapitalgedeckten Lebensversicherungen, die vorrangig zur Altersvorsorge genutzt werden, im Jahre 2011, zeigt. Auch die nahezu permanente Weigerung eine gesetzlich verbindliche Untergrenze der Entlohnung festzulegen, steht in diesem Zusammenhang.

Um was geht es bei dem nebulösen Argument der Wettbewerbsfähigkeit? Sagte doch unsere Kanzlerin „Die beste Lösung ist Wettbewerbsfähigkeit.“ Betriebs- und Volkswirtschaftlich gesehen sind die Lohnstückkosten ein entscheidendes Kriterium bei der sogenannten Wettbewerbsfähigkeit, jedoch die niedrigsten Lohnstückkosten weltweit hatte die Bundesrepublik bereits seit Anfang der 1980er Jahre, seit 2002 sanken diese sogar um 12,5 % in Deutschland, gleichzeitig sanken die Reallöhne in Deutschland um ca. 4,5% und die Unternehmensgewinne schossen in die Höhe, bis 2008 stiegen sie auf 500 Mrd. vor Steuer. In Deutschland zeigte sich ein ganz anderen Trend als seine europäischen Nachbarn, infolge der Euroeinführung. Durch den Euro mussten fast alle Eurostaaten, mit Ausnahme Finnlands, der Niederlande und Deutschlands, erhebliche Lohnstückkostensteigerungen hinnehmen, in Italien waren es immerhin 19%, seit 2002. (3) Deutschland entwickelte sich faktisch zu einen Niedriglohnland in der Eurozone, in dem durch die Agenda 2010 die sogenannte „Mobilisierung des Arbeitsmarktes“ als primäres Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in Politik und den Medien war der fordernde Sozialstaat entstanden, die den sogenannten „Faulen der Gesellschaft“ Beine machen sollten. Bei den Sozialsystemen standen sogenannte „Aufräumarbeiten“ an, die Hartz-Gesetze, also die Neuregelung die heutigen SGB I bis IV, hatten einen drastischen und vor allem negativen Einfluss auf die Reallöhne. Faktisch erreichte man damit das die Arbeitnehmer mehr produzieren, schneller, länger und billiger arbeiten, was sich auch in der Rente mit 67 niederschlug. Dieser absolute Zwang, den die Hartz-Gesetze implemitierten, eine wie auch geartete Arbeit aufzunehmen übertrug sich unweigerlich auf die Entlohnung der Erwerbstätigen. Die Schutzgesetze für Erwerbstätige wurden weitestgehend gelockert und dieses auch unter Inkaufnahme von gesundheitlichen Risiken für die Erwerbstätigen. Welche Auswirkungen dieser Maßnahmen hatte zeigt die drastische Steigerung der mental Überforderten, besser bekannt unter den Namen Burn-Out-Syndrom.

In diesem Sinne bauen die Regierungen der Euro-Zone, infolge der Finanzkrise seit 2008, ihre Gesellschaften um, Schwerpunkt dieser Reformen ist nach Deutschen Vorbild die Lohnfindung. So werden hunderttausende Staatsangestellte entlassen. Den verbleibenden werden die Gehälter gekürzt und viele Menschen werden in Armut stürzt und alles dieses weil einige sehr kleine Bevölkerungsgruppen immer höhere Einkommen und Besitzstände erreichen wollen. Dabei ist es erstaunlich, trotz ihrer Vielfältigkeit wie wenig aussagekräftig die Medien eigentlich sind und alle nahezu ein einhelliges Lied singen, das der Effizienz, das der Disziplin, das der Forderung der Märkte, das von der Überlegenheit einer freien Wirtschaft usw., was immer das auch sein soll, und das alles sowieso besser funktioniert wenn des den Märkten überlassen wird. Das durch 250 Jahre Wirtschaftsirrlehre in unsere Gehirne eingebrannte Pseudonaturgesetz: Wachstum heilt alle Wunden und Wettbewerbsfähigkeit wäre ein Schlüssel zum Erfolg und zwar solange, bis wir daran krepieren?

Davon können die Bewohner von Manila ein Lied singen, als 1996 die Wasserversorgung privatisiert wurde, man erhoffte sich ein besseres Management der Wasserversorgung und höhere Investitionen. 2003 brach eine Diphtherieepidemie aus an der 600 Personen starben und wie sich herausstellte waren die Investitionen waren auf ein Drittel zusammengestrichen wurden, im Vergleich zu 1995, und die Anlagen wurden voll auf Verschleiß gefahren. Sicherlich die Philippinen sind ein Entwicklungsland, aber in Europa sieht es im Grunde genommen auch nicht besser aus. Denn das gleiche Bild bot sich bei Thames Water in London bei dem es bis 2005 mehr Wasser durch Leckagen im Leitungsnetz versickerte als durch die Einwohner Londons verbraucht wurde, die Firma war zu dem Zeitpunkt ein Tochterunterunternehmen von RWE, zwar wurde in London der Firma Auflagen durch den Gesetzgeber gemacht, jedoch verkaufte RWE Thames Water recht schnell, da die Gewinnerwartungen nicht mehr so richtig stimmten, aber das sind nur zwei Beispiele.

Aber gehen wir doch ein mal den Argumenten nach, welche zum Beispiel unsere Politiker gerne benutzen um uns den Abbau von Sozialleistungen schmackhaft zu machen und das ist meine Sicht darauf:

Marktdisziplin: Das Wort „Disziplin“ weckt Assoziationen an ernste, bewusste Charakterstärke die angesichts zu einer bestimmten Herausforderung stehen im Gegensatz zu unverantwortlichem, realitätsfernem Verhalten. In Wirklichkeit, bezieht es sich in Verbindung mit dem Wort „Markt“ an sogenannte Marktteilnehmer, in erster Linie den Kapitalien, die sich an arbeitslosen Arbeitern schadlos halten und die übrigen Angestellten einschüchtern, die dann schneller arbeiten, unbezahlte Überstunden machen, wobei mehr Profit für geringere Kosten erzeugt wird. Es verhüllt auch die Fähigkeit der Kapitalien, ihre Profitrate zu erhöhen, indem sie die sozialen Kosten der Produktion, wie Arbeiter- und Umwelt-Schutz, Krankenkassenbeiträge und Kosten für die Altersvorsorge weitestgehend verringern und auf die Gesellschaft übertragen.

Der Markt: Es wird immer sehr viel von dem Markt oder den Märkten gesprochen. Es wird allgemein jedoch nicht dargestellt was ein Markt ist, sondern durch die Apologeten des Kapitals wird eine Unbestimmtheit des Begriffes eingeführt. Dadurch erhält der Markt eine metaphysische und überhöhende Position zugeschrieben, dem sich der Einzelne unterzuordnen hat. Dabei sind die Märkte prinzipiell nichts weiter als eine Interaktion zum Handel von Waren und Dienstleistungen zwischen zwei oder mehreren Individuen, selbst wenn man es Global betrachtet. Sie entstehen demnach nicht „spontan“ und regulieren sich auch nicht von alleine, sondern bedürfen gerade im Kapitalismus des politischen und rechtlichen Schutzes, sowie noch bedeutender einer gesellschaftlichen Akzeptanz. Das Geld dient dabei als das zentrale ökonomische Medium in den Märkten des Kapitalismus. Geld nun wiederum entsteht nicht von alleine, sondern wird vom Staat emittiert, sozusagen zur Verfügung gestellt, dieses geschieht nun über die Staatsanleihen. Geld soll einen bestimmten Wert haben und der Staat soll den Wert des Geldes kontrollieren und gegebenenfalls vernichten (Rückkauf von Staatsanleihen) oder Neuemittieren (Emission von Staatsanleihen). Wie jeder sehen kann sind die Märkte in ihrer Funktionsweise stärker im Kapitalismus abhängig von den sozialen Gesellschaften, als jemals zuvor. Die sogenannte Macht der Märkte ist lediglich so groß, wie die Gesellschaften dieses überhaupt zu lassen, da die Funktionsweise der Märkte in das Handeln der Gesellschaften eingebettet sind.

Markt-Schock“ Dieses bezieht sich auf Krisensituationen auf den sogenannten Märkten. Da Märkte wie gesagt von Menschen geschaffen werden, sind auch die Krisenhaften Situation vom Handeln des Menschen verursacht worden und sollten eigentlich von Menschen auf den Märkten korrigiert werden können. Die Krisensituationen werden dann als Argument verwendet um brutale, massive und abrupte Entlassungen zu handhaben und rechtfertigen zu können. Teilweise werden Lohnkürzungen abgenötigt, sowie Gesundheits- und Pensionspläne gestrichen, um bei an Börsen notierten Unternehmen den Börsenwert zu erhöhen, oder ganz profan die Profite zu erhöhen. Man verwendet deshalb die harmlosen, neutralen Begriffe „Markt“ mit „Schock“ so können die Apologeten des Kapitals die Identität der Verantwortlichen und die Handlungsweisen die zu diesen Maßnahmen, ihre brutalen Folgen geführt haben und verschleiern damit die immensen Vorteile, die die Eliten genießen voll nutzen.

Wirtschaftswissenschaften: Eigentlich sind die Wirtschaftswissenschaften kein eigner wissenschaftlicher Zweig, sondern eher ein Teil der Sozialwissenschaften, der das Verhalten des Menschen analysiert. Fast niemand - nicht einmal viele Wissenschaftler – verstehen den ganzen Hokuspokus der sogenannten Fachbegriffe. Über die teilweise ein vordergründig tiefes Geheimnis gemacht werden, da sie eigentlich keine wissenschaftliche Bedeutung haben, aber für die Herrschaftspsychologie einen entscheidenden Charakter haben. Wirtschaftswissenschaften haben wenig mit höherer Mathematik zu tun, wie vielfach angenommen, sondern eher mit dem Auswerten und Interpretieren von Statistiken, ein bekanntes Wort ist die Chartanalyse. Wirtschaftswissenschaften sind mathematisch so unpräzise da sie das wesentliche Element des Wirtschaftens nur sehr ungenau erfassen können, das Handeln des Menschen, eigentlich erkannte dieses schon John Law im Jahre 1720, und eine sehr wichtige Grundlage der mathematischen Gleichungen die in den heutigen Wirtschaftswissenschaften Anwendung finden sind die Gleichungen von John Law. Wenn sie ein Raumschiff mit dem Kurs Mars programmieren würden und dieses auf der gleichen Grundlage der mathematischen Präzision der Gleichungen verwenden, wie sie in den Wirtschaftswissenschaften verwendet werden, wird ihr Raumschiff entweder auf dem Merkur landen oder in den Tiefen des Raums auf Nimmerwiedersehen entschwinden. Auf den Wahrheitsgehalt der Wissenschaftswissenschaften einzugehen erübrigt sich eigentlich, aber nur ein Beispiel: Wenn die sogenannten Wirtschaftsweisen im Herbst ihre vier Gutachten vorstellen, legen sie prinzipiell vier unterschiedliche Prognosen vor, eine Positive, eine weniger Positive, eine nochmals weniger Positive und eine nicht ganz so Positive, auf jeden Fall steht immer ein Zuwachs an und nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung wird eine der vier Prognosen mehr oder weniger genau zutreffen. Man könnte genauso zu einer Wahrsagerin gehen und sich die Zukunft vorhersagen lassen und in beiden Fällen ist das Ergebnis auch nur eine Frage letztendlichen Interpretation durch den Einzelnen. Das die Wirtschaftswissenschaften eigentlich keine empirische Wissenschaft sind zeigte der Ausbruch Suprime Krise im Jahre 2007 und der Finanzkrise im Jahre 2008, denn beide waren vorhersehbar. Das es in den USA zum Platzen der Immobilienblase kommen wird musste jedem klar gewesen sein, denn seit 2001 stieg die Zahl der Zwangsversteigerungen bis 2005 exorbitant an, auf über 6 Mio. pro Jahr. Die US Regierung änderte darauf hin die Regelungen für Enteignungsverfahren und die Zahl sank schlagartig im drauffolgenden Jahr auf weniger als 500.000. Das die Blase gerade im Jahr 2007 platzte lag einfach nur daran das viele Kreditinstitute selber hoffnungslos überschuldet waren, denn wie jeder Blinde mit einem Krückstock sehen konnte, waren die Immobilien keineswegs wertlos, nur sie waren bis zum 1000 fachen ihres eigentlichen Wertes überbewertet und darum kam es zur Liquditätskrise der Geldhäuser, man erinnere sich an HRE, West LB usw., da ganz einfach die Bewertungsrichtlinien die von Wirtschaftswissenschaftlern entwickelt wurden von vollkommen anderen Vorraussetzungen ausgingen, als es in der Realität war. Sie gingen vom ewigen Wachstum der Immobilienpreise aus. Um einen Schuldigen auszumachen wurde 2007 die Weltneuheit des Deveriats in den Medien mehr oder weniger erfunden, obwohl die Finanzindustrie seit der Erfindung der Börse, Ende des 16. Jahrhunderts, mit Deveriaten handelt. Um all das zu Verschleiern wird um die Wirtschaftswissenschaften so ein Primborium gemacht, als ob es sich um eine Naturwissenschaft handeln würde. Es geht eigentlich nur darum wie das Orakel von Delphi aufzutreten, um Außenstehende zu verwirren, und die Meinungshoheit der Polit- und Wirtschaftseliten zu stärken und zu festigen.

Markt-Forderungen“ Dieser breit verwendete Begriff zielt darauf ab, eine ökonomische Kategorie zu vermenschlichen und zu Vergesellschaften, was sie jedoch keineswegs sind. Man kann den Begriff Marktforderung auch so formulieren. Die Forderung einzelner Akteure in der Gesellschaft, praktisch gesehen um den Lebensstandard der einzelnen Akteure zu erhöhen. Markt Forderungen zielen darauf ab, die Profite zu erhöhen, zumeist auf Kosten der gesamten Gesellschaft.

Freie Wirtschaft: Ein Euphemismus, der aus zwei realen Konzepten geknüpft wurde: private Wirtschaft für privaten Profit und freien Wettbewerb. Indem man das dahinterliegende Bild von privatem Gewinn für die Wenigen gegen die Interessen der Vielen beseitigt, haben die Apologeten des Kapitals ein Konzept erfunden, das die individuellen Tugenden der „Wirtschaft“ und „Freiheit“ betont im Gegensatz zu wirklichen ökonomischen Bosheiten wie Gier und Ausbeutung. Deshalb versuchen die Politik und Medien dem Begriff eine positive Gewichtung zu geben, dabei kann aus der Logik heraus keine Wirtschaft frei sein. Sie unterliegt immer gesellschaftlichen Zwängen, sie ist prinzipiell abhängig von der Gesellschaft die sie umgibt. Das Problem bei der Begriffsfindung ist die Wirtschaft von der Gesellschaft zu entkoppeln, dies gelingt nur wenn der Wirtschaft die absolute Priorität eingeräumt und die Gesellschaft ein von der Wirtschaft abhängiges Subjekt dargestellt wird und nicht wie es real ist. Die Gesellschaft und die Wirtschaft gingen einstmals im Kapitalismus ein Wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis ein und das ist auch noch heute so, da eine Wirtschaft ohne eine Gesellschaft prinzipiell nicht existieren kann.

Freie Marktwirtschaft ist ein Begriff besser gesagt eine leere Worthülse, die freien, fairen und gleichen Wettbewerb auf nicht regulierten Märkten impliziert und die Wirklichkeit der Marktbeherrschung durch Monopole und Oligopole schönfärbt, die von massiven staatlichen Rettungs-Paketen in kapitalistischen Krisenzeiten abhängig sind. Ursprünglich sollte auf der Basis der Wettbewerbsfähigkeit die freie Initiative des Einzelnen mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt verbinden, nur das war eben auch nur die Theorie. Wie jeder Begriff transformiert sich jeder Begriff mit der Zeit, da der Mensch handelt. „Frei“ bezieht sich heutzutage insbesondere auf die Abwesenheit öffentlicher Regulierung und staatlicher Intervention zur Verteidigung der Arbeiter-Sicherheit und auch des Konsumenten- und Umwelt-Schutzes. Mit anderen Worten verhüllt „Freiheit“ die bewusste Zerstörung der bürgerlichen Ordnung durch die Kapitalien durch ungehemmte Ausübung der wirtschaftlichen und politische Macht. „Freie Marktwirtschaft“ ist ein Schlagwort, der mit der Theorie nichts gemein hat, er verkörpert in der Welt das Primat der Kapitalien über die Rechte und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen und dem Wesen nach die wahre Verweigerung von Freiheit.

Wirtschaftliche Erholung: Diese Phrase bezieht sich eigentlich auf die Erholung der Profite der Unternehmen und nicht auf die Partizipation der Gesellschaft an dieser Erholung. Sie verhüllt die totale Abwesenheit von Erholung des Lebensstandards der Arbeiter- und Mittelklassen, die Beseitigung sozialer Zuschüsse und wirtschaftliche Verluste der Hypothekeninhaber, Schuldner, die Langzeitarbeitslosigkeit und den Bankrott kleiner innovativer Geschäftsleute. Mit dem Begriff „wirtschaftliche Erholung“ wird schöngefärbt, wie die Massenverarmung zur Schlüsselbedingung für die Erholung der Profite der Multis wurde.

Privatisierung: Dieser Begriff umschreibt, wie jeder weis, die Überführung von Unternehmen der öffentlichen Hand, gewöhnlich die profitablen, an private Kapitalien mit guten Beziehungen, das zu Preisen die in der Regel weit unter ihrem wahren Wert liegen, was nicht nur zum Verlust von öffentlichen Dienstleistungen führt. „Befreit“ von stabilen Arbeitsverhältnissen und höheren Konsumkosten für den Verbraucher, da die neuen privaten Besitzer die Konsumentenpreise nicht nur in die Höhe treiben und Arbeiter entlassen, führt diese Entwicklung auch noch zu schlechteren Arbeitsbedingungen die auch noch die Sozialversicherungssysteme zusätzlich belasten, so das deren Leistungen gesenkt werden müssen – alles im Namen eines weiteren Mantras der Kapitalien, das der „Effizienz“. Zusätzlich beraubt sich die Gesellschaft selber der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Arbeitsmärkte und die Lohnentwicklung, demzufolge führen die mangelnde wirtschaftliche Einflussnahme des Staates auf die Wirtschaft zur Bildung von Kasten, im Extremfall sogar zu anomischen gesellschaftlichen Zuständen, d.h. dieser Begriff wird für chaotische gesellschaftliche Zustände verwendet, in dem Bindungskräfte innerhalb einer Gesellschaft verloren gehen, die Gesellschaft wird buchstäblich atomisiert und zwar auf das einzelne Individuum. „Effizienz“ Effizienz bezieht sich nicht auf die Bilanz oder Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens; sie spiegelt nicht die hohen volkswirtschaftlichen Kosten von „Privatisierungen“ wider, diese werden von anderen Sektoren der Gesellschaft getragen. Zum Beispiel die „Privatisierungen“ führen generell die Kosten für die Allgemeinheit, da Gewinne die Staatsbetriebe erwirtschaften nicht mehr in die Budgets der öffentlichen Haushalte fließen, so das andere Einnahmequellen für den Staat gefunden werden müssen, eben über höhere Steuern. Nimmt man die Privatisierungen der Verkehrswege, können diese die Kosten des Transports von nach- und vorgelagerten Unternehmen erhöhen, indem diese Kostensteigerungen diese weniger konkurrenzfähig macht, verglichen mit der Konkurrenz anderer Regionen; die sogenannten Effizienzsteigerungen in der Volkswirtschaft beseitigen Dienstleistungen in den Regionen durch volkswirtschaftliche Rationalisierungen, was nun wiederum zum lokalen ökonomischen Kollaps und Isolation von nationalen Märkten führt, wie man es in Ostdeutschland nach 1990 beobachten konnte.

Dies führt nun wiederum zum Lohndumping, schlechteren Arbeitsbedingungen, höherer Konkurrenz unter den Arbeitern und Angestellten, sozialen Verwerfungen, so waren die Vermögen in Ostdeutschland bis 2010, im Gegensatz zu Westdeutschland, stark rückläufig. Mit anderen Worten ist das Zauberwort der „Effizienz“ ist nicht das Ergebnis intelligenter wirtschaftlicher Fähigkeiten einzelner Akteure oder inhärenter Ineffizienz öffentlicher Unternehmen, wie die kapitalistischen Ideologen gerne behaupten, sondern eine bewusste politische Haltung, um Gewinne des Großkapitals zu fördern auf Kosten der öffentlichen Wohlfahrt. Genau gesehen wird hier ein ökonomischer Extremismus impliziert.

Schlussfolgerung: Die Sprache, sogenannte reine marktwirtschaftliche Konzepte, immer neue Wortschöpfungen, im Sinne der orwellschen Neusprechs, und die Oberhoheit über den Bedeutungsgehalt und Inhalt im linguistischen Rahmen, sind die wichtigen Waffen im Klassenkampf „von oben“, man könnte auch von Euphemismen sprechen. Diese werden von sogenannten Journalisten, Politikern und, möglichst mit Professorentitel ausgestatteten, Ökonomen entworfen, um Reichtum und Macht der Großkapitalien zu fördern und die Bedeutung des Individuums auf einen kleinstmöglichen Bezugsrahmen zu minimieren, nämlich auf das Individuum selber und nicht auf seine Gruppenzugehörigkeit, die Gesellschaft wird praktisch "Atomisiert" auf den kleinstmöglichen Nenner und die ökonomische Subjektivität des Einzelnen. Wenn sich Individuen zu gesellschaftskritischen Gruppen zusammenschließen, stellt dieses die größte Gefahr für diese Ideologen und dem Großkapital dar.

In dem Maße, wie jedoch Progressive und linke Kritiker diese Wortschöpfungen, Konzepte und auch deren Referenzrahmen übernehmen, werden die von ihnen vorgeschlagene Kritik und die Alternativen durch die Rhetorik des Kapitals von vornherein eingeengt bzw. faktisch unmöglich gemacht. Die Schlagworte des Kapitals in „Anführungsstriche“ zu setzen, kann als Zeichen von Missbilligung gelten, aber das trägt nichts dazu bei einem anderen analytischen Rahmen zu erarbeiten, der notwendig ist für einen erfolgreichen Klassenkampf „von unten“. Gleichermaßen bedeutend ist, dass es die Notwendigkeit eines fundamentalen Bruchs mit dem kapitalistischen System einhergeht einschließlich seiner Sprache und Konzepte. Die oben genannten Wortschöpfungen, im Sinne des orwellschen Neusprechs, tragen nicht zur Mehrung des Social Value bei sondern tragen zur Verarmung großer Bevölkerungsteile bei, faktisch der Entmachtung des Souveräns. Durch die Einführung der sogenannten „neoliberalen Konzepte“ , die in den Reaganomics und dem Theatherismus ihren Ausdruck bekamen, konnten die wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterklasse marginalisiert werden und wir sind wieder unter die absolute Herrschaft eines Obrigkeitsstaates gefallen, sozusagen einer neuen Art des Feudalismus, nur mit anderen Besitzstandsverhältnissen und Produktionsmethoden. Diese Entwicklung der letzten 50 Jahre muss erneut die Frage einer sozialistischen oder sozialen Umformung des Staates letztendlich aufwerfen, in der die Wirtschaftsstrukturen und die soziale Struktur neu bewertet werden müssen. Ein integraler Bestandteil dieses Prozesses muss die vollständige Zurückweisung des Neusprechs sein, die von kapitalistischen Ideologen benutzt werden und ihre systematische Ersetzung durch Begriffe und Konzepte, die wahrhaft die harte Wirklichkeit in den Gesellschaften reflektieren, die deutlich die Verursacher des Niedergangs der gesellschaftlichen Teilhabe des Einzelnen, d.h. der Schwächung der Demokratie, und des Social Values identifizieren und die sozialen Akteure animieren eine politische Transformation zu definieren und einzuleiten.

Der derzeitige Zustand der Gesellschaft wird wohl niemand als positiv bezeichnen. In den letzten 50 Jahren wurde die Gesellschaft einem "Rationalisierungsprozess" unterworfen, im Sinne des kapitalistischen Rentabilitätsdenkens. Gerade deswegen konnte er sich in dieser rein auf die Ökonomie konzentrierender politischer Entscheidungsprozess im öffentlichen Diskurs etablieren, da er wesentliche Elemente des von der Wiener- und der Chicagoer Schule entwickelten Neoliberalismus übernahm. Im Endeffekt schwingen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und anderen Interessenverbänden, auf den fahrenden Zug des extremistischen Ökonomismus auf und um die Rolle des ideellen Gesamtvorsitzenden der Deutschland-AG und später der Europa-AG zu übernehmen. Leitfiguren des politisch wirtschaftlichen Extremismus wie Sarrazin oder der „größte deutsche Nationalökonom“ Professor Hans Werner Sinn bestimmten ganze Bevölkerungsgruppen zu Wertvollen und weniger wertvollen oder gar nutzlosen, die sie aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse ausmachten. Sie bestreiten das Recht zur Existenz dieser Gruppen in der deutschen Gesellschaft und sehr oft und drastisch diesen Gruppen auch das Recht abgesprochen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der Mensch, die gesamte Gesellschaft, das Dasein als solches, verkümmern in dieser Ideologie zu bloßen Voraussetzungen der kapitalistischen Rentabilitätsdenkens und dieses gilt es zu verhindern, wenn man nicht in einer neuen Art des Nationalsozialismus enden will, der bekanntlich auch wesentliche Elemente des totalitären Ökonomismus, des Primats der Ökonomie, schon beinhaltete. Denn die ständige Orientierung auf ökonomische Ziele, die Forderung nach Unterwerfung unter die Autorität der Ökonomie verstärkt einen autoritären und reaktionären Kreislauf, in dem einige gesellschaftliche Gruppen aufgegeben und nur noch als Ballast angesehen werden. Die allgemeine Akzeptanz des absoluten Primats der Ökonomie in der Gesellschaft führt zu einer primären Identifikation mit der profitorientierten Ökonomie, wobei die Verzichtsforderungen zu Gunsten ökonomisch schlechter gestellter Gruppen in jene autoritäre Aggression münden, die sich gegen wirtschaftlich und sozial schwächer gestellten letztendlich Bahn bricht, um einen Verzicht zugunsten derer zu verhindern und den Umverteilungswünschen kleiner auserlesener Gruppen entspricht und dieses entspricht genau dessen was Deutschland im dritten Reich erlebte.

Um diesen, doch recht langen, Post abzuschließen Sozialleistungen beeinträchtigen keineswegs die sogenannte Wettbewerbsfähigkeit, nur sie beeinträchtigen, wenn auch im geringen Maße die Profiterwartungen.

(1) http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/40372/sozialstaat

(2) Dieter Grimm : Die Zukunft der Verfassung., Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-28568-8.

(3) http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52647/lohnstueckkosten

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