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Hiroshima, 6. August 1945

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Atomic Cloud over Hiroshima Credit:wikimedia commons
Atomic Cloud over Hiroshima Credit:wikimedia commons

Auf Hiroshima wurde am 6. August 1945 die erste Atombombe der Weltgeschichte abgeworfen. Viele mögen sagen alles wohl bekannt, jedoch ranken sich um diesen Einsatz spezielle Legenden. Eine der hartnäckigsten dieser Legenden: Die Atombombe hätte den Zweiten Weltkrieg endgültig beendet, der in Fernost eigentlich seit 1937 tobte. Die zweite Legende: Der Einsatz dieser thermonuklearen Waffen hätten viele Menschenleben gerettet.

Es war der sonnige Vormittag des 6. August 1945 um 8:15 Uhr, als in der japanischen Hafenstadt Hiroshima die Hölle losbrach. Mindestens 80.000 Menschen kamen sofort ums Leben, als der B-29-Bomber Enola Gay die Atombombe abwarf. Noch Jahre später starben Menschen an den Spätfolgen, bis heute geht man von 160.000 aus. Strategisch war der Zweite Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, Japan lag militärisch eigentlich am Boden, leistete immer noch heftigen Widerstand. Okinawa und Iwo Shima, die Eroberung der Philippinen waren drei Beispiele die zeigten das Japan ungeachtet der Verluste kämpfen würde. Diesen Willen zum Widerstand bewog wohl US-Präsident Truman eine blutzehrende Invasion Japans vermeiden, gleichzeitig wollte er Stalin beeindrucken und zeigen über welche Möglichkeiten die US-Streitkräfte verfügen, primär zur Abschreckung. Das US-Militär hatte angeblich Szenarien der Invasion der japanischen Hauptinseln entwickelt, bei diesen erwartete man den Verlust von bis zu 500.000 Soldaten und die Eroberung der Inseln sollte bis 1948/49 andauern, aber hier einmal gefragt sind dieses nur Argumente zur Selbstrechtfertigung?

Frage: Hat der Einsatz der Atombombe den Zweiten Weltkrieg nun beendet?

Die eigentlich objektive Antwort muss wohl lauten kleines Ja, aber auch ein großes Nein, der Einsatz der Atombombe trug schon zum Ende des Krieges bei. Wobei hier gesagt werden muss für das japanische Militär war der Einsatz der Atomwaffen zweitrangig, zuvor waren schon 29 japanische Großstädte in Flammen aufgegangen. Bei der Bombardierung von Tokyo waren sogar mehr Menschen (über 100.000) umgekommen, als beim Atombombenabwurf auf Hiroshima, und das wurde erreicht mit konventionellen Bomben. Für das Militär war Hiroshima eine zerstörte Stadt mehr, mehr war es für die Generalität nicht. Das japanische Militär besaß noch die Kwantung-Armee in der Mandschurei in der Hinterhand, mit einer Truppenstärke von 600-700.000 Mann die größte und auch bekannteste Landstreitmacht Japans. Diese war bis August 1945 vollkommen intakt, was sowohl die Truppe, deren Führungsstrukturen und deren Material betraf.

Für die japanische Regierung hatte der Einsatz der Waffen schon eine gewisse Wirkung, aber Kapitulieren um jeden Preis kam auch für diese auch nicht in Frage. Zuvor hatte die Regierung bereits im Juli die Sowjetunion um Vermittlung eines Waffenstillstandes mit den US-Amerikanern gebeten, erhielt von Molotow und Stalin keine Antwort. Im japanischen Selbstverständnis kam nur eine ehrenvolle Kapitulation in Frage, d.h. die Stellung des gottgleichen Kaisers durfte nicht angetastet werden. Dieses war für Politiker und Militärs ein nicht zu verhandelnder Fakt und der Atombombenabwurf änderte nichts an dieser Haltung.

Die Wirkung auf den Tenno dürfte wohl am größten gewesen sein, dieser lebte zwar vollkommen abgeschottet in seinem Palast, war aber im japanischen Selbstverständnis Gottgleich, stand über der Regierung und dem Militär. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte wurde er auch über die Ereignisse in diesem Krieg informiert und war wohl auch über die beiden Atombombenabwürfe, aber auch über den Kriegseintritt der Sowjetunion informiert worden. Vollkommen überraschend für Regierung und Militär entschied dieser am 10. August das die Potsdamer Erklärung anzunehmen sei.

Der Fahrplan des Alliierten Kriegskalenders 1945, der zu dieser Entscheidung beitrug, liest sich wie folgt: Januar bis April Rückeroberung der Philippinen durch die USA, Februar bis März Eroberung von Iwojima durch die USA, April bis Mai Eroberung von Okinawa durch die USA, 8. Mai Kapitulation des faschistischen Deutschlands, Erste Testzündung der US-Atombombe "Trinity" (16. Juli), Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August), Information Stalins über eine "neue Waffe" in Potsdam (24. Juli), Kapitulationsaufforderung an Japan (26. Juli), Abwurf von "Little Boy" auf Hiroshima (6. August), gemäß der Potsdamer Beschlüsse erfolgte die Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan (7. August), Beginn der Operation Auguststurm der Roten Armee (8. August), Abwurf von "Fat Man" auf Nagasaki (9. August). Wie man sieht gab es eine enge Zusammenarbeit wischen den Sowjets und den Amerikanern, ob der Einsatz der A-Bombe auf Japan abgesprochen war? Sicher nicht, es ist nur bekannt Stalin war in Potsdam nicht überrascht als Truman ihn über den Trinity-Test informierte.

Manchuria Soviet Offensive, Quelle Wikimedia commons
Manchuria Soviet Offensive, Quelle Wikimedia commons

Der Kriegseintritt der Sowjetunion zeigte den Japanern eigentlich erst auf, das der Krieg endgültig für Japan verloren war. Die sowjetische Offensive in der Mandschurei und auf der koreanischen Halbinsel zerschlug innerhalb weniger Tage die japanische Kwantungarmee, die Mandschurei und Nordkorea gingen bis Ende August komplett für Japan verloren, damit verlor Japan auch seine strategische Tiefe und ein wichtiges Industrierevier für die Rüstungsproduktion. Ein anderer Aspekt für Japan war, das die Hauptinseln nun komplett eingekreist waren, eine Invasion der Hauptinseln war nun für die Alliierten möglich, das war jedem japanischen Politiker nun klar, und sie hätten bei einem Sieg den Tenno zur Abdankung zwingen können. Diese Möglichkeit der absoluten Niederlage, der Möglichkeit des Untergangs von japanischer Gesellschaftstradition und deren Kultur bewog wohl die Traditionalisten einer Kapitulation zuzustimmen. Eine Einzelentscheidung des Tennos zur Annahme der Kapitulationsbedingungen dürfte genauso wenig wahrscheinlich sein, der Tenno hat seine Berater und er beriet sich wohl auch mit dem Premier- und dem Außenminister. Vollkommen unklar war für die japanische Führung welche Seite nun die Hauptinseln angreifen würde. Die Vereinbarungen von Potsdam waren in Japan nicht bekannt, im Hinblick auf das weitere Vorgehen der Alliierten gegenüber Japan.

Man nahm wohl an, wenn die Sowjetunion die Inseln erobern würde, Stalin ein kommunistisches Regime einrichten würde. Das hätte nicht nur das Ende des bisherigen Gesellschaftsgefüge bedeutet, sondern auch der Besitzverhältnisse. Die alten Eliten hätten in diesem Fall nicht nur ihren Einfluss verloren, sondern auch industriellen Besitz, viel Geld und Land. Es galt auch das der Tenno und seine Familie nicht das Schicksal des Zaren teilt, im Jahre 1917/18. In der Sowjetunion sah man in Japan einen militärisch überlegenen Gegner, der auch einen eisernen politischen Willen hat der rücksichtslos durchgesetzt wird. In den USA sah man in Japan nun einen militärisch überlegenen Gegner, dessen Führung jedoch als wankelmütig, soll heißen als schwach angesehen wurde. Für die alten Eliten war es wesentlich angenehmer sich den US-Amerikanern zu ergeben, als in den Straflagern Stalins den Rest des Lebens zu verbringen.

Auch für die USA zeigten die Ereignisse in der Mandschurei das sie nun anders agieren müssen, um die Japaner zum Frieden zu zwingen. Vor dem Kriegseintritt der Sowjetunion waren die führenden Vertreter der US-Regierung der Meinung auch den Tenno, die führenden Politik- und Wirtschaftseliten vor einen Kriegsverbrechertribunal zu stellen. Man änderte dahin gehend die Kapitulationsbedingungen im August und beließ den Tenno auf seinem Platz in der japanischen Gesellschaft, die Besitzverhältnisse blieben unangetastet und Japan nahm die Kapitulationsbedingungen nun auch offiziell an. Der Tenno hielt am 15. August 1945 seine berühmte Rede Gyokuon-hōsō. Die offizielle Annahme der Bedingungen erfolgte am 2. September auf der Missouri, durch die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde.

Das die Kapitulation Japans nun allein dem Abwurf der Atombomben zu verdanken war sollte man lieber in das Reich der Mythen verweisen. Es war wohl eher die Kombination aus bisheriger Kriegsverlauf im Pazifik, Atombombenabwurf und Kriegseintritt der Sowjetunion der den japanischen Politikern und Militärs vor Augen führte das der Traum von dem Großreich Japan, der Überlegenheit der japanischen Gesellschaft und Kultur oder anders gesagt des extremen japanischen Nationalismus war nun endgültig vorbei. Das Zeitalter des imperialistisch-faschistischen Kaiserreich Japan gehörte nun der Vergangenheit an.

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