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Tod in Jerusalem

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Wenn man die Medienberichte zum Terroranschlag auf die betenden Rabbis in der Har Nof Synagoge im November in Jerusalem so ansieht fällt vor allem eines auf: Es wird der Blickwinkel eines israelischen Staates angewendet um das Geschehen dem deutschen Publikum näher zu bringen und zu erklären. So weit mir es bekannt wurden Rabbi Moshe Twersky (59), Rabbi Aryeh Kupinsky (43), Rabbi Avraham Shmuel Goldberg (68), Rabbi Kalman Zeev Levine (55) und Zidan Nahad Seif, 30 Jahre alt, bei diesem Anschlag getötet und ich lass hier einmal keinen Zweifel daran, es war ein terroristischer Anschlag gewesen, ausgeführt von zwei Palästinensern die aus Ostjerusalem stammen, besser gesagt wohnten. Solche Anschläge sind zu verurteilen, da mach ich mir auch keine Illusionen: Gewalt ist zu verurteilen und zwar generell. Jedoch muss man hier ein paar Einschränkungen machen, die Problematik ist das in den hiesigen Medien die Methoden der Besatzungspolitik Israels eigentlich kein Thema sind. Man sollte meines Erachtens hier unterstreichen das die Besetzung des Westjordanlandes eigentlich ein Kriegsakt ist und die Medien hierzulande diesen Umstand komplett ausklammern. Das dieser kriegerische Akt ein extrem langanhaltender Zustand geworden ist und dieses mit all seinen negativen Begleitumständen offenbart einem die Logik dieses Konfliktes, der eine Eigendynamik besitzt von Gewalt und Gegengewalt, der zum anderen eine zunehmende Zuspitzung von beiden Seiten erfährt, je erfolgloser die eigne Position, je mehr Positionen vertreten werden die nur noch in extremen Gewaltausbrüchen einen Ausweg aus der Gewaltspirale sehen.

Es wird hierzulande auch weitestgehend moralisiert wo es nur geht und dieses immer mit dem Grundtenor: "palästinensischer Terror gegen friedliche Juden". Dieser Grundtenor in den Medien projezieren jedoch ein Zerrbild das eigentlich nicht einseitiger sein könnte. Nimmt man den Bericht auf n-tv : Palästinenser töten mehrere Betende in Synagoge wird wohl klarer worauf ich hin aus will. Das diese Berichtserstattung jedoch ein Zerrbild darstellt sollte man auch lieber dazu schreiben, denn diese Berichte ignorieren das dieses Gebiet des Westjordanlandes immer noch ein vom Staat Israel besetztes Gebiet ist, in dem die Rollenverteilung sehr ungleich verteilt ist. Erstens: Es waren zwei Personen aus dem Volk der Palästinenser die diesen Anschlag verübten und diese hatten aus ihrer Sicht auch allen Grund dazu ein Signal zu setzen, denn sie leben in einem besetzten Land. Sie haben keine Bürgerrechte, wie zum Beispiel ein israelischer Bürger. Zweitens: Sind diese Personen den andauernden Methoden einer Besatzungsmacht ausgesetzt, das heißt man sieht sich einer permanenten Überwachung, eingeschränkten Bewegungsfreiheit und gezielter Gewalt ausgesetzt. Nur einmal das zum besseren Verständnis, wenn man der deutschen Medienwelt folgen möchte existieren solche Teilbetrachtungen schon einmal gar nicht.

Die in dem Gebiet lebenden Palästinenser sind keine gleichberechtigten Bürger des Staates Israel, sondern werden ganz offiziell als Nichtbürger des Staates Israel bezeichnet während das Westjordanland ganz offiziell als Provinzen Judäa und Samaria bezeichnet werden und nicht wie man eigentlich erwarten sollte besetzte palästinensische Gebiete bzw. Territorien. Auch die politisch motivierte Siedlungsbewegung der Israelis tritt kaum in die Betrachtungen zu diesem Konflikt in Erscheinung. Immer von palästinensischen Terror zu sprechen ist war ganz nett und schön, nur ist dieses wohl einer einseitigen Parteinahme geschuldet. Auch von den permanenten Wiederholungen die von der europäischen, besonders von der deutschen Politik, Wiederholungen wie zum Beispiel "Man müsse zu Friedensverhandlungen zurückkehren" verkennt wohl die Tatsache das israelische Politik das Scheitern der Friedensverhandlungen zum eigentlichen Prinzip der Friedensverhandlungen gemacht hat.

"Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) akzeptierte zahlreiche Einschränkungen der Rechte, die ein unabhängiger Staat besitzt: die Entmilitarisierung des zukünftigen palästinensischen Staats und die Präsenz israelischer Soldaten am Jordan, die nach fünf Jahren durch US-Truppen abgelöst werden sollten. Sie willigte zudem ein, dass die Siedlungen in Jerusalem unter israelische Kontrolle gestellt werden, und akzeptierte einen Austausch von Territorien, mit dem 80 Prozent der Siedlungen im Westjordanland in den israelischen Staat integriert würden. Schließlich sollte die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge der Einwilligung Israels bedürfen. Kein anderer palästinensischer Führer hat jemals so viele Zugeständnisse gemacht wie Mahmud Abbas. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich in Zukunft jemand finden wird, der diese harten Bedingungen akzeptiert"(1).

Besser kann man es wohl kaum ausdrücken, da die israelischen Sicherheitsinteressen allein für diese Betrachtung kaum ausreichen sein dürften muss man auch die Politischen und gesellschaftlichen Kernforderungen in Israel selber in diese Betrachtung mit einbeziehen. Israels Politik bezeichnet den Staat selber als jüdischer Staat, damit kommt man in den Bereich einer religiös-kulturellen Auslegung innerhalb des Selbstverständnisses als Staatsgebilde an sich. Das Selbstverständnis ist dabei Grundlage des erklärten Staatszieles. Diese Betrachtung schließt dabei nicht aus das die zionistische Bewegung sich selber in eine extremistisch religiöse Bewegung verwandelt hat, in der die Religion und die Shoa zwei zentrale Kernpunkte der Ideologie darstellen.

"Zum einen ist es auch im innerjüdischen israelischen Diskurs ganz und gar nicht ausgemacht, was der jüdische Charakter Israels eigentlich sein soll. Meint dies ein religiös-orthodoxes Verständnis des Jüdischen? Ein säkular-zionistisches oder ein universell-humanistisches? Oder meint es ein fremdbestimmtes Verständnis, das den ewig beschworenen Antisemitismus in der Welt durch gewollte Selbstghettoisierung zu konfrontieren trachtet? Zum anderen aber lebt Israel seit seiner Gründung in der Aporie, ein sowohl jüdischer als auch demokratischer Staat sein zu wollen, was angesichts der rund 20 Prozent nichtjüdischer legaler Bürger im Land einer Quadratur des Kreises gleichen dürfte." (2)

Nimmt man zum Beispiel die Behauptung Israel wäre ein sekulärer Staat sollte man sich das Staatsvolk, Zielsetzung und Sinn der Staatsgründung einmal genauer ansehen, dabei stellt man fest Israel ist bereits zu seiner Gründung 1948 ein jüdischer Staat. Denn dieser Staat ist aus der Idee entstanden, dass die Juden in diesem Staat die Mehrheit ausmachen sollen, damit es einen Ort gibt, an dem der Glaube an das Dasein des einzigen, einigen höchsten Gottes ungehindert ausgeübt, Diskriminierung der Juden unmöglich und nach dem zweiten Weltkrieg wurde Israel zu einem Ort an dem eine erneute Shoah unmöglich ist. Man sollte sich dabei von dem Gedanken verabschieden das Juden eine eigne Ethnie sind, sie sind primär ein religiös-kulturelles Volk, ein Volk das sich aus vielfältigen Ethnien zusammensetzt. Das ganze Leben eines Juden/in dient als Gottesdienst um den Willen Gottes umzusetzen, wie er in der Thora offenbart ist. Das schließt die Bereitschaft ein, vor der Welt Zeuge Gottes zu sein, auch die Bereitschaft zum »Kiddusch ha-Schem« (hebr. Heiligung des Namens, d.h. Martyrium), wie es im Holocaust vielfach erlitten worden ist.

Gerade der Aufstieg des islamischen Staates in Syrien und Irak zeigt dabei eines: es gibt keine Alternative zu einer demokratischen Ordnung, die allen Bürgern gleiche Rechte garantiert, unabhängig von Herkunft und Religion. Krieg und eine dauerhafte Besetzung und damit einhergehend die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen fördern nur extreme Sichtweisen und diese beeinflussen auch extreme Wahrnehmungen zu diesem Konflikt. Nur diese Erkenntnis dürfte in Israel auf keinen fruchtbaren Boden fallen, da eine extrem-religiöse Komponente in der zionistischen Ideologie kaum mehr zu übersehen ist. Diese extrem-religiöse Einstellung drückt sich zum einen in der Siedlungsbewegung aus, die gleichsam den religiös motivierten Rassismus im Staate Israel geradezu symbolisiert. Man kann diese Grundeinstellung auch als religiösen Fundamentalismus bezeichnen, denn immerhin entstand die jüdische Religion vor 2500 Jahren in diesem Gebiet und zwar als Staatsreligion des Königreiches Judäa und gerade die Siedlerbewegung begründet damit bekanntlich ihr Ansinnen, sozusagen "Heim zu Kehren" und wird von den Regierungen Israels bestärkt und gefördert. Nicht umsonst heißt eine langjährige Regierungspartei Shas: Sefardische Torawächter(3) und eine in der Knesset vertretene Partei heißt Vereinigtes Thora-Judentum(4).

Auf der anderen Seite findet man die Fatah, Hamas und PFLP und auch die Hamas ist genaugenommen entstanden aus den erfolglosen Versuchen der PLO und Fatah einen palästinensischen Staat zu errichten. Die Hamas hat eine starke religiöse, die Fatah eine konservativ säkulere und die PFLP hat sogar eine starke kommunistische Komponente. Ideologisch gesehen eine recht heterogene Truppe, aber diese Zusammensetzung symbolisiert auch die politischen Grundeinstellungen innerhalb der palästinensischen Bevölkerung wieder. Vereinigt, aber gleichzeitig entzweit, werden diese Parteien in dem Willen einen palästinensischen Staat zu errichten und der israelischen Besatzung einen militärisch organisierten Wiederstand entgegenzusetzen. Dieser faktisch militärisch organisierte Wiederstand ist eine Resonanz auf die israelischen Absichten, die drei großen Siedlungsblöcke auszubauen und Ost-Jerusalem zu judaisieren, wird gern als Terrorismus und Extremismus bezeichnet, nur auf der anderen Hand waren Wiederstands- und Freiheitsbewegungen für Besatzungsmächte immer schon extremistisch, also diese Sichtweise prinzipiell kein Novum darstellt. Immerhin haben die palästinensischen Parteien Fatah und PFLP Israel als Staat anerkannt, die Hamas hat dieses zumindest in Aussicht gestellt. Von der israelischen Politik gab es in der Vergangenheit und derzeitig jedoch keine Anzeichen einen palästinensischen Staat bzw. das Volk als solches anzuerkennen. Gemeinhin werden Palästinenser in Israel nämlich als Araber geführt. Nimmt man die Methoden der Besatzungsbehörden einmal genauer unter die Lupe kann man relativ schnell erkennen: es ist eine Methode der Bevölkerung das Leben sehr zu erschweren und zu demonstrieren wer das Sagen hat. Es ist Quasi ein Gemisch aus allgemeinen Kriegszustand und einer Herrn/Untermenschen bzw. Herrschenden/Unterdrückten-Logik, mit dem man diesen Kriegszustand am besten charakterisieren kann. Ein Blick auf Maan-News genügt außerdem um aus dem deutschen Mainmedien-Aufguss über diesen Konflikt zu durchbrechen und auch die palästinensische Sichtweise zu Wort kommen zu lassen. Was kann man denn da lesen? zum Beispiel: Israeli forces demolish building, 20 stores in Shufat camp (5.12.2014) (5) oder Israeli warships 'shell Gaza coast,' critically injure fisherman (3.12.2014) (6). Nimmt man andere Teilaspekte des menschlichen Lebens wie zum Beispiel die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Westjordanland, könnte man meinen das die Besatzungsbehörden ganz gezielt den Zugang zu medizinischen Behandlungen, Konsultationen und Therapien erschweren.

Das Gesundheitswesen in Palästina wird von vier Organisationen getragen:

A ) der Regierung

B ) der UNRWA

C ) den Nicht-staatlichen Organisationen (NGO's) und D ) der Privat-Medizin

Die Regierung bzw. die israelische Besatzungsmacht brachte es fertig, 26 Jahre lang nur 9 Krankenhäuser, anstelle von 12 zu jordanischer Zeit, zu unterhalten. (7)(8)

Praktisch wird die medizinische Versorgung der Palästinenser durch die internationale Gemeinschaft getragen und damit auch die Kosten der Besatzung. Auch gibt es einen Wasserkonflikt und zwar der Gestalt das auch hier der Zugang zu sauberen Trinkwasser von den Besatzungsbehörden extrem reglementiert wird.

Das Jordanbecken und das Grundwasser des Mountain Aquifer sind die beiden Quellen, die Israel nach internationalem Recht mit den Palästinensern teilt. Geographisch liegt das Gebiet des Mountain Aquifer hauptsächlich auf palästinensischer Seite, doch Israel nutzt 79% des Wassers für sich, für die Palästinenser bleiben 21%. Das Jordanbecken können die Palästinenser seit 1967 überhaupt nicht mehr nutzen. Neben privat gesammeltem Regenwasser bleiben den Palästinensern nur die Grundwasser des Mountain Aquifer und des salz- und nitrathaltigen Coastal Aquifer. Daher sind sie schon seit Jahren gezwungen, Wasser von Mekorot abzukaufen.(9)

Amnesty International schrieb in einem Bericht aus dem Jahre 2009: Rund 200.000 Palästinenserinnen und Palästinenser haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Während Israel in den Siedlungen Felder mit Sprinkleranlagen bewässert, Gartenlagen und Swimmingpools unterhält, verweigert es der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten das Recht auf Zugang zum Wasser. Die israelische Armee hat wiederholt Wasserspeicher und Bewässerungssysteme in palästinensischen Dörfern zerstört und sogar verhindert, dass die Bevölkerung Regenwasser sammeln kann.(10)(11)

Auch die Lebensperspektiven der Palästinenser sind im allgemeinen sehr extrem limitiert, freie Bewegung im Westjordanland ist aufgrund der Checkpointpolitik Israels kaum ungehindert möglich, die Möglichkeiten des Broterwerbs sind ebenso Limitiert, damit einhergehend die Möglichkeiten bzw. Perspektiven für ein einigermaßen selbst bestimmtes Leben. Nun bekam im Jahre 2013/14 der Islamische Staat in der Levante international sehr große Aufmerksamkeit und dieser demonstrierte das man mit Gewalt und zwar recht brutaler eine mögliche Lösung von Problemen ist.

In der Summa muss man wohl feststellen, es herrscht weiterhin eine besondere Form des Krieges in Israel und Palästina, denn die Besetzung des Westjordanlandes ist auch 47 Jahre nach dem sechs Tage Krieg immer noch ein kriegerischer Akt. Wenn man den Tot der eingangs erwähnten Rabbis nun nimmt sind diese Opfer dieses Krieges oder anders ausgedrückt, sie sind Opfer der israelischen Besetzung des Westjordanlandes. Solange keine für beide Seiten befriedigende Lösung gefunden werden sollte, wird wohl die Gewaltspirale sich weiter drehen und solange für die israelische Politik das Scheitern der Friedensverhandlungen das eigentliche Prinzip der sogenannten Friedensverhandlungen ist werden wohl auch Israelis sterben, nur das diese Toten auf das Konto der eignen Regierung geht wird man in den deutschen Mainmedien vergeblich suchen.

(1)www.school-scout.de/extract/59245/1-Vorschau_als_PDF.pdf (15,63 MB)

(2)https://www.jungewelt.de/ansichten/pfeifen-im-walde Pfeifen im Walde von Moshe Zuckermann

(3)http://en.wikipedia.org/wiki/Shas

(4)http://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigtes_Thora-Judentum

(5)http://www.maannews.net/eng/ViewDetails.aspx?ID=744486

(6)http://www.maannews.net/eng/ViewDetails.aspx?ID=744520

(7)http://www.filastin.at/gesundheit.shtml

(8)http://www.palmedeurope.de/content.php?id=13

(9)http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=69

(10) http://www.amnesty.de/2009/10/27/israel-verweigert-palaestinensern-zugang-zu-wasser?destination=startseite

(11)http://www.amnesty.ch/de/laender/naher-osten-nordafrika/israel-besetzte-gebiete/dok/2011/wasser-vortragsreihe-clemens-messerschmid-ramallah/praesentation-messerschmid

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