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Responsibility to Protect und der mediale Widerhall, ein Schatten des allgemeinen Zweifels auf die Zukunft

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Responsibility to Protect und der mediale Widerhall, ein Schatten des allgemeinen Zweifels auf die Zukunft

Wie ich bereits im Artikel im Die kleinen Kriege oder Libyen im Chaos geschrieben habe spitzt sich die Lage in Libyen immer mehr zu und es scheint niemanden ernsthaft zu interessieren. Der Verfall der Staatsmacht seit dem Ende der Gaddafi-Ära ist kaum noch zu übersehen, Milizen bekämpfen sich gegenseitig und eine übergeordnete staatliche Autorität scheint nicht mehr zu existieren. Die UNO und der Westen schauen tatenlos zu wie das Land immer weiter im Chaos versinkt, obwohl sie Mitverantwortlich für diese Lage im Land sind. Um dabei Missverständnisse im Vorfeld auszuräumen: Ich bin kein Parteigänger von Gaddafi oder anderer Diktatoren, wenn ich mich kritisch zur NATO und ihrer Legitimierung ihres Krieges im Libyen durch die Medien äußere. Aber vor mehr als drei Jahren begann dieser Konflikt der damals medial und politisch sehr hohe Wellen schlug. Die Main-Medien forderten ein militärisches Eingreifen auf Seiten der Rebellen und von der UNO wurden zwei Resolutionen verabschiedet, die wachsweich formuliert waren und dementsprechend interpretiert werden konnten. Es wurde offen der Sturz von Gaddafi propagiert ohne das man sich über die Folgen anscheinend im klaren war oder ganz bewusst vernachlässigte. Am 07. August 2014 war es dann wieder soweit, Präsident Obama genehmigte Luftschläge im Irak gegen die Truppen des sogenannten Islamischen Staates. Obama verkündete dabei das die Luftschläge dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen soll. Dabei wiederholt er ein Legitimationsmuster das bei früheren Konflikten ebenso seine Anwendung erfuhr.

In den politischen Debatten in den Massenmedien und der verantwortlichen Politik kursieren allgemein gesehen drei Legitimationsmuster für offene militärische Interventionen von europäischen Staaten und den USA. Das erste ist die „humanitäre Katastrophe“. Kennzeichnend hierfür ist eine primäre Opfer-Argumentation, ich will hier nicht sagen das Opfer konstruiert werden das wäre zu einfach, die Opfer sind real. Jedoch werden die an diesen Opfern ausgeübte Gewalt weitestgehend medialisiert und verallgemeinert, es wird weitere Gewalt prophezeit und anschließend die Verantwortung betont, diese Gewalt zu unterbinden, es wird kurz von der moralischen Verantwortung gesprochen. Exemplarisch hierfür ist der Kosovo-Krieg, dessen Legitimierung mit dem „Racak-Massaker“ im Jahre 1999 begann und seinen vorläufigen Höhepunkt in Libyen 2011 erreichte, als man die Diktion heranführte man müsse das Volk vor einem Diktator schützen, wobei hier das Verständnis wer das Volk bzw. die Bevölkerung darstellt wohl eindeutig überfokusiert wurde auf eine politisch-militärische Bewegung.

Ein weiteres Legitimationsmuster ist die Forderung nach der Herstellung von Sicherheit und Schutz von Zivilpersonen. Die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA und die Festlegung auf Al Kaida, wohlgemerkt nach drei Tagen Ermittlung, als Täter war der Hintergrund für den Afghanistan-Krieg, einhergehend mit diesen Ereignissen war die Schaffung neuer Entscheidungsebenen auf nationaler und internationaler Ebene um eine Illusion zu erschaffen, die Sicherheit. Darauf Aufbauend ist auch eine Neuinterpretation des Völkerrechts zu erkennen, die ihren Ausdruck in der von der UN des öfteren angewanden Prinzips Responsibility to Protect, dt. Die Verantwortung zum Schutz, zu erkennen ist um militärische Aktionen und Kriege zu rechtfertigen, dies Eingendenk des Umstandes das fast alle militärischen Auseinandersetzungen dieser Art auf betreiben der westlichen Staatengemeinschaft durchgeführt wurden. Besonders Verwunderlich ist dabei die Rolle der Medien im Vorfeld der Kriege und die Tatsache das die Kriege jeweils mit dem Schutz der Zivilbevölkerung oder der Verhinderung der Produktion von Massenvernichtungswaffen oder der angeblichen Bedrohung durch den internationalen Terrorismus begründet wurden. Sollten andere Staaten dieses Prinzip anwenden wird ihnen der Bruch des Völkerrechtes vorgeworfen, siehe Russland vs. Georgien im Jahre 2008. In dieser Kontinuität einer Beurteilung des Völkerrechtes gehört auch, das der von den USA und ihren Verbündeten geführten Krieg gegen den Terrorismus Eingang in das Völkerrecht fand, wie das Urteil der Beschwerdekammer des Sondergerichtshofs für den Libanon vom 16.02.2011 nahelegt. In der Begründung der Beschwerdekammer verwies diese auf den Tatbestand, das das Verbrechen des Terrorismus nach dem derzeitigen Stand des Völkergewohnheitsrechtes zu einem eigenständigen völkerrechtlichen Straftatbestand erstarkt sei und damit eine Ahndung in direkter Anwendung des Völkerrechtes ermögliche, was faktisch dem Umstand zu verdanken ist das es eine extrem unterschiedliche Bewertung von staatlicher und nichtstaatlicher Gewaltanwendung gegenüber Zweit- und Drittpersonen existiert. Da eigentlich bekannt seien sollte das der Staat, je nach Form der politischen Herrschaftsform unterschiedlich, legitimiert werden soll durch das Völkerrecht, dem Staat wird die alleinige Kompetenz zur Begrenzung und Reglementierung von Kriegen und anomischen Gesellschaftszuständen zugeschrieben, was faktisch dazu führt das der „Terrorismus“ als Völkerrechtsverbrechen nahezu erfunden werden musste.

Eigentlich erstaunlich an dieser Art der Legitimierung von militärischen Aktionen ist, das aus Fehlern auch nicht gelernt wird sondern mit sturer Arroganz weiter an Konzepten gearbeitet wird, die schon vom Ansatz her zum scheitern verurteilt sind. Man kann exemplarisch dieses nachvollziehen am Beispiel Afghanistan, da die Angriffe angeblich vom 11.09. 2001 von Afghanistan unter dem Taliban-Regime ausgegangen sein sollen und das Land einen sicheren Hafen für al-Qaida-Terroristen gewesen war, wurde das Regime gestürzt und sollte ein „demokratisches“, zumindest irgendwie dem Westen freundlich gesinntes Afghanistan aufgebaut werden um künftig ähnliche Attacken zu verhindern. Man schickte Truppen, steckte viel Geld in die militärische Besetzung des Landes, schon sehr viel weniger in den zivilen Wiederaufbau, installierte eine wenig demokratische Regierung und deckte manipulierte Wahlen. Weil nach fast 10 Jahren die Geduld ausgeht und die Kosten des Krieges aus dem Ruder laufen werden sich die ISAF-Staaten zurückziehen und den Staat am Hindukusch wahrscheinlich ebenso stabil hinterlassen, wie die US Truppen den Irak hinter sich gelassen haben. Sicherheit und Schutz sehen bekanntlich anders aus, das angewande Konzept Responsibility to Protect scheint nicht für die ebenfalls zu beschützende Bevölkerung Afghanistans, des IRAKS oder Somalias zu gelten oder keine sehr große Rolle spielen, in den Medien spielen sie fast keine Rolle. Die Bevölkerung der betroffenen Staaten spielten ausschließlich im Vorfeld des Konfliktes eine Rolle, sie werden herangezogen als die zu beschützenden Zivilisten, im Verlauf des Konfliktes verschwindet die Bevölkerung aus der medialen Berichterstattung oder es werden Opferzahlen genannt ohne das es zum medialen Aufschrei kam.

~Nimmt man die mediale Berichterstattung, die sich im Frühjahr 2011 entwickelte, wurden die Opfer in Misrata und Bengasi instrumentalisiert um eine militärische Lösung des Konfliktes zu rechtfertigen. Teilweise wurde in den Medien die Flüchtlinge aus Libyen sogar als Bedrohung dargestellt, als einige von ihnen auf die italienische Insel Lampedusa gelangten. In den Medien kursierte wie ein geflügelter Spruch „ Wie viele werden noch kommen?“, obwohl die meisten der Flüchtlinge gar nichts mit dem libyschen Bürgerkrieg zu tun hatten. Vielfach wurden schärfere Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime gefordert, wie der deutsche Außenminister Westerwelle: "Was in Libyen geschieht, erfüllt mich mit größter Sorge", sagte Westerwelle der Zeitung "Welt am Sonntag". Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsse sich erneut mit der Lage befassen. "Gezielte Sanktionen sind notwendig gegen diejenigen, die für die Verbrechen gegen das libysche Volk verantwortlich sind." Die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft wurde immer mehr instrumentalisiert um ein militärischen Engament zu ermöglichen. So wie in der deutschen Welle am 04.03.2011 ausgesagt: Ein entsprechendes UNO-Mandat könnte völkerrechtlich aus der Schutzverpflichtung abgeleitet werden, die sich die Vereinten Nationen auf ihrer Generalsversammlung im Jahr 2005 gegebenen haben. Politikwissenschaftler Carlo Massala von der Bundeswehr-Universität in München erklärt, sinngemäß heiße es in der Schutzverpflichtung "dass überall dort, wo ein Massaker an der Zivilbevölkerungen verübt wird, mit genozidartigen Tendenzen, die internationale Staatengemeinschaft eine Verantwortung hat, diese Menschen zu schützen". Das sog. „responsibilty to protect“ Konzept der UN eröffnet den Handlungsspielraum des Kapitel VII VNCh im Fall Libyen eigentlich gar nicht, entgegen dem was von sog. „Völkerrechtsexperten“ in den Massenmedien oftmals publiziert wurde. In den Erwägungsgründen der beiden Res. 1970 (2011) und unter Punkt 4 der Res. 1973 (2011) erklärt der Sicherheitsrat, dass die libyschen Behörden für den Schutz der Bevölkerung verantwortlich seien. Hiermit weist er auf die Pflicht eines jeden Staates hin, seine Bevölkerung vor schweren Verbrechen gegen das Leben und die Gesundheit, gerade in Zeiten von Krisen, zu bewahren und zu beschützen, wobei ab hier in den Massenmedien eine recht eigentümliche Interpretation von Gesamtbevölkerung eines Staates sowohl bei der völkerrechtlichen Beurteilung und in der medialen Berichterstattung zum tragen kommt. Bei der Belagerung von Bengasi durch die libysche Armee ist darüber berichtet worden das die Truppen des Diktators bewusst auf die Zivilbevölkerung schießt: Renate Künast 18. 03.: «Wenn (der libysche Diktator Muammar al-)Gaddafi sein eigenes Volk beschießt, dann stehen wir in der Verantwortung (...) Wir sind in der Verantwortung, Menschenrechte zu verteidigen.» Bei der Belagerung von Syrte durch die Rebellen kehrte man dieses Argument um, da wurde die Zivilbevölkerung von den Truppen des Diktators in Geiselhaft genommen : 07.10.2011 Bild Zeitung „Die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva befürchtet, dass in Sirte Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht werden. Tausende Zivilisten würden daran gehindert, die Stadt zu verlassen, sagte sie in Brüssel.“

Die intervenierenden Staaten erklärten das dieses Eingreifen, auf Seiten der Rebellen, von der Resolution 1973 des Weltsicherheitsrats vom 17. März 2011 gestützt würde. Unter Ziff. 4 autorisiert deren operativer Teil jeden Mitgliedstaat der UNO und jede regionale Staatenorganisation, „alle erforderlichen Maßnahmen anzuwenden, um Zivilisten und von Zivilisten besiedelte Gebiete in Libyen, die von Angriffen bedroht sind, zu schützen“. Aber hier ist kein Rückgriff auf die RtP zu erkennen und in den Medien fehlte vollkommen das die „responsibility to protect“ keinen neuen (völker-)rechtlichen Gehalt hat. Sie schafft weder für die Staaten noch für die internationale Gemeinschaft besondere Rechte oder Pflichten, noch ändert sie etwas an den Voraussetzungen des Kapitel VII VNCh. Das Abschlussdokument des Weltgipfels 2005, indem sie enthalten ist, entfaltet noch nicht einmal eine (völker-)rechtliche Bindung. Die Resolution 1973 eröffnet den Interventen auch nicht die Möglichkeit das bestehende Regime zu stürzen, sondern in der Resolution wird eine neutrale Haltung in diesem Konflikt gefordert, um die beiden Konfliktparteien zu trennen. Der Weltsicherheitsrat hat bekanntlich einen gewaltigen Spielraum bei der Lagebeurteilung in Libyen gehabt, formal seiner Zuständigkeit gemäß nach der UN-Charta (UN-C) entspricht deren Kapitel VII und in dessen Rahmen Art. 42 als rechtliche Grundlage: wie es Art. 39 UN-C voraussetzt, in dieser Resolution muss der Rat eigentlich dazu erklären das die Lage in Libyen vor einer Intervention zu einer Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ausgeht. „Responsibility to Protect", schränkt keinesfalls automatisch die Souveränität von Staaten ein. Die RtP beinhaltet auch keine, wie oftmals behauptet, automatische militärische Option, da dieses dem völkerrechtlichen Gewaltverbot konträr entgegenstehen würde. Vielmehr ist sie eine Verpflichtung, besser gesagt eine Verantwortung der Vorbeugung gegen Menschenrechtsverletzungen und dann erst eine Verantwortung, auf Menschenrechtsverletzungen zu reagieren und sie beinhaltet eine "Responsibility to Rebuild", eine Verpflichtung, Verantwortung aufzubauen, oder beim Aufbau zu helfen. Alle diese Aktivitäten fehlen in der Res. 1973, daher kann auch keine Rede davon sein das die RtP zum tragen kommen würde. In den Medien entwickelte sich vielmehr das Argument das Spiegel Online vom 25.03.2011 am besten charakterisiert hat: „Gaddafi darf nicht gewinnen!“ und das unter Rückgriff auf das RtP Konzept.

Nach der klassischen Völkerrechtslehre obliegt dem Territorialstaat die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und verschiedentlich sind Zweifel daran geäußert worden das die Lage in Libyen eine solche Bedrohungslage darstellt, denn zuallererst war der Konflikt eine rein innerstaatliche Angelegenheit bei der gewaltsamen Bekämpfung von ebenfalls gewaltsamen Protesten. Aber heutzutage hat man es nicht mehr mit dem „klassischen Völkerrecht“ zu tun, wie jede Rechtsordnung entwickelt sich auch das Völkerrecht. Das Völkerrecht gibt dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen prinzipiell die Kompetenz in Konflikte einzugreifen, die eigentlich rein interne Angelegenheiten sind, aber internationale Momente beinhalten. Dieses internationale Moment war wohl erreicht als sich ca. 600.000 Flüchtlinge in die umgebenden Länder in Sicherheit brachten, dies ermöglichte dem Rat in Res. 1970 zu der Aussage das die „groben und systematischen Verletzungen der Menschenrechte“ und erwägt, ob die „ausgedehnten und systematischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung [...] möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“ zu erörtern, er stellt eine eindeutige Schuldzuweisung zuungunsten der Sicherheitskräfte fest, da die Gewaltanwendung gegenüber Zivilpersonen vom Staat ausging und sie zur Flucht nötigte, einen Ansatz für schwerste Menschenrechtsverletzungen durch Kriegsverbrechen, Völkermord, ethnischen Säuberungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Sicherheitskräfte Libyens, der durchaus durch den Sicherheitsrat geahndet werden kann, wurde jedoch nicht festgestellt. Dies stellt jedoch wiederum die Voraussetzung für ein Handeln des Sicherheitsrates im Rahmen von Kapitel VII VNCh, dass er nach Art. 39 VNCh eine Bedrohung des Weltfriedens festgestellt haben muss. In den Fällen Somalias und Ruandas, die oftmals als Referenz dienen, fand man in den Resulotionen die Bemerkung „determining that the situation in X constitutes a threat to international peace and security“. Unterlässt der Sicherheitsrat eine ausdrückliche Feststellung der Gefährdung, so reicht der Rekurs auf die Feststellung „Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations“ nur solange aus, wie auch objektiv eine tatsächliche Lage besteht, die eine internationale Friedensgefährdung darstellt. Nach Andreas Zimmermann ist auch in diesem Fall das objektive Vorliegen einer internationalen Friedensgefährdung zu fordern. Denn wenn der Sicherheitsrat weder eine solche Feststellung treffen noch eine solche Situation nach Art. 39 VNCh objektiv vorliegen müsste, wären der Art. 39 VNCh und die darin normierten Tatbestandsvoraussetzungen faktisch überflüssig. Der Sicherheitsrat hat zwar weitreichende Befugnisse im Rahmen von Kapitel -VII VNCh verliehen bekommen, diese dürfen jedoch nicht grenzenlos und Resulotionen sollten auch nicht frei interpretierbar sein, wie es im Fall Libyen geschehen ist. Die Resolution 1973 autorisierte die Interventen lediglich ein Eingreifen um libysche Zivilisten zu schützen, ein Regime Change war jedoch nicht vorgesehen oder gar autorisiert, was nach den bisherigen Erfahrungen mit solchen Einsätzen zu nahezu desaströsen Fehleinschätzungen führt, wohlgemerkt für die Zivilbevölkerung, wie sich auch im Falle Libyens später noch zeigen sollte.

Um Zivilisten zu schützen wäre das NATO Militärbündnis verpflichtet gewesen jede Verhandlungslösung den absoluten Vorrang einzuräumen, was sie jedoch nicht tat. Vollkommen aus Acht gelassen wurde in der Medialen Berichterstattung das unter Punkt 1. verlangt eine sofortige Waffenruhe und ein vollständiges Ende der Gewalt und aller Angriffe und Missbrauchshandlungen gegen Zivilpersonen. Unter Punkt 8 der Res. 1973 wurde eine Flugverbotszone über Libyen verabschiedet und keine Bombardierungszone, ab hier greift der mediale Hype um die Resolution eigentlich erst. Das große Problem ist dabei das die Strategie der NATO Staaten eigentlich entgegen der Res. 1973 stand, für die europäischen Massenmedien war dieses jedoch gar kein Thema nahezu eins zu eins als Rechtmäßig dargestellt wurde. Die Res. 1973 sollte eine friedliche Konfliktlösung befördern und keine militärische Eskalation unterstützen. Das militärische Vorgehen der NATO war von vornherein als militärisches Programm initiiert das letztlich mit dem „Regime Change“ enden sollte. Das politische Ziel schien ganz plausibel, es wäre auch letzten Endes wenig vorteilhaft gewesen, wenn man den Diktator an der Macht beließe, es wäre auch ein weltpolitisch blamables Desaster für die intervenierenden Parteien. Auch ohne die entsprechenden Bekundungen der drei Staatschefs der USA, Frankreichs und Britanniens lag es von Anfang an auf der Hand, dass die NATO bei ihrem militärischen Eingreifen jedenfalls auch das Ziel des Sturzes von Gaddafi von vornherein verfolgen würde.

Eine Verhandlungslösung und Waffenstillstände wie von Gaddafi und der afrikanischen Union im April und Mai vorgeschlagen wurde als irreführende Strategie des Diktators Gaddafi dargestellt, auch hier wurde die Argumentationsweise der NATO eins zu eins von den Massenmedien übernommen, kritische Nachfragen waren demzufolge gar nicht erwünscht. Spätestens hier wurde jedem klar was das Ziel der Militärkamarilla war. Eigentlich verwunderlich da vor dem Hintergrund des alleinigen Mandats in Resolution 1973, libysche Zivilisten zu schützen, vor allem gegen den Verlust ihres Lebens, war die NATO unbedingt verpflichtet, die Chance solcher Angebote für einen Waffenstillstand und die Verhandlungslösung wahrzunehmen, um das Leben von Zivilisten zu schonen. In den Massenmedien suchte man eine solche Forderung meistens vergebens. Auch die eindeutige Parteinahme der NATO in diesem Konflikt war in den Medien kein Anlass zur Kritik, vielmehr findet man ein Argumentationsmuster das eigentlich an die Zeit des kalten Krieges erinnert: „wie und ob das UN-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung überhaupt in einem Libyen erfüllbar gewesen wäre, welches weiterhin unter der Herrschaft Gaddafis verblieben wäre “. Damit war die Resolution 1973 für die Politik und den Massenmedien zur Makulatur geworden und wie sich bei der Eroberung der Städte Syrte und Bani Walid später zeigen sollte verstieß die NATO massiv gegen die Resolution, bei dem Schutz von Zivilsten in den betreffenden Städten. Jetzt wurde das Argument des menschlichen Schutzschildes verwendet um die kriegerischen Handlungen zu rechtfertigen. Jetzt wurde die Forderung laut die Städte doch schnellstmöglich zu erobern um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Ab der Eroberung von Tripolis wurde auch der Eindruck vermittelt das der Regime Change ein erklärtes Ziel der UN Resolution gewesen wäre. Es wurde ganz einfach damit erklärt das die Responsibility to Protect ein im Völkerrecht übergeordnetes Element sein soll und das unter dem Gesichtspunkt der RtP eine Neuinterpretation der Resolution 1973 zulässig wäre. Diese Form der eindeutigen bewussten Interpretation, hin zum Regime-Change, der UN-Resolutionen von der Politik und in den Massenmedien ungefragt transportiert wurde, ist ein eindeutiges Zeichen das die Massenmedien vielmehr nur ein Erfüllungsgehilfe der Politik geworden ist, ein Korrektiv sind sie wohl nicht gewesen. Als Hilfsmittel in dieser Argumentation diente wohl eindeutig die Verstrickung des Regimes Gaddafi in den internationalen Terrorismus. Wie Eingangs erwähnt ist der Terrorismus seit der Entscheidung der Beschwerdekammer im Februar 2011 ein rein rechtlich bindendes Völkerrechtsverbrechen: die von einer Überzeugung der Staaten getragen werde, dass die Bestrafung von Akten des Terrorismus einer sozialen Notwendigkeit entspreche und daher rechtlich geboten sei („this practice is evidence of a belief of States that the punishment of terrorism responds to a social necessity […] and is hence rendered obligatory by the existence of a rule requiring it“). Die Problematik des Terminus Terrorismus ist es das es nämlich keine einheitliche Definition des Terrorismus gibt, dabei war und ist der Hauptstreitpunkt, ob und wie nationale Befreiungsbewegungen auch unter die Definition fallen sollen, wie dieses der Israel-Palästina Konflikt wohl eindeutig zeigt.

Dieser Rekurs auf die Vergangenheit des Gaddafi-Regimes ermöglichte es der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln das der Sturz des Gaddafi-Regimes ein durch das neu erfundene „moralische Völkerrecht“ gedecktes und erwünschtes Ziel sei. Das Völkerrecht selber fiel damit der Machtpolitik der NATO-Staaten zum Opfer, ein in Libyen dem Westen genehmes Regime zu installieren. Ein weiteres nach geführtes Argument wurde die angewandte Folter des Gaddafi-Regimes, es wurde als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dargestellt, was es ja auch ist. In den audio-visuellen Massenmedien wurden Folterkeller gezeigt in denen Menschen einer unmenschlichen Behandlung unterzogen wurden. Sicher an dieser Berichterstattung ist nur eines: Das Gaddafi-Regime hat Menschen gefoltert keine Frage, soweit dieses bekannt ist war Tripolis und Bengasi aber auch Anflugziele der Flugzeuge im Rendition Programm der Amerikanischen Regierung unter George Walker Bush, sein Nachfolger Barak Obama hat nur die direkte physische Folter durch US-Bürger verboten, ein Informationsgewinn durch die angewande Folter verbot er jedenfalls nicht. Auch in den Massenmedien aufgegriffene Argument der Rebellen und der NATO das Söldner aus der Subsahara durch das Gaddafi-Regime angeworben wurden ist kaum verifiziert worden, in den westlichen Staaten ist anscheinend kaum bekannt das ca. 500.000 Libyer und ca. 200.000 Flüchtlinge und Gastarbeiter in Libyen eine schwarze Hauptfarbe hatten. Das Gebiet nordöstlich des Tibesti Gebirges gehört z.B. zu den Siedlungsgebieten des Volkes der Tubbu und andere kleinere schwarzafrikanische Stämme siedeln in den Oasen entlang der südlichen Grenze. Die Repression die den schwarzen Libyern nach der „demokratischen Revolution“ zuteil wurde, nach dem Untergang Gaddafi-Regimes, ist kaum thematisiert worden, denn immerhin sind diese auch ein Teil der Bevölkerung Libyens ganz im Gegensatz zu den „ehrenwerten“ Zielen der NATO Allianz und einen Beweis für Söldner aus den Staaten der Subsahara sind die Medien, Rebellen und NATO Allianz leider schuldig geblieben. Dieses zeigt eindeutig das vorgefertigte, teilweise rassistische Argumente ohne eine gründliche Überprüfung einfach übernommen wurden, um eine wie auch geartete Legitimierung in der Bevölkerung zu erreichen. Inwieweit die gezeigten Folterzentren zum Beispiel von der CIA genutzt wurden im Rahmen des Rendition Programms, das war in den Massenmedien überhaupt kein Thema, anscheinend war es an den Massenmedien die vollkommen freiwillig ein Erfüllungsgehilfe der Politik zu sein, eine unabhängige Berichterstattung sieht jedenfalls anders aus, eine unabhängige Berichterstattung lebt vor der Vielfalt und nicht von der Einfalt und sollte nicht aus vorgefertigten Argumenten bestehen, die zwar einer differenzierten Betrachtung standhalten, jedoch deren Rückschlüsse meistens neben dem liegen was die Nachrichten eigentlich aussagen.

Daher fällt auf die mediale Berichterstattung um die Responsibility to Protect in den Massenmedien ein finsterer Schatten des Zweifels, erstens: kam in den Medien größtenteils eine sehr vereinfachte Darstellung des völkerrechtlichen Inhalts und Ziel der Resolutionen 1970 und 1973 zum tragen. Zweitens : in der medialen Betrachtung des Prinzips Responsibility to Protect wird dieser eine übergeordnete Betonung in einer militärischen Lösung von Konflikten zugeordnet. Mit dieser Form der Darstellung des Prinzips wird damit abgelenkt was mit diesem Prinzip eigentlich erreicht werden soll, ein Schutz von Zivilisten ist dabei bisher in der medialen Berichterstattung kaum zu erkennen, denn immerhin fielen den Bomben der NATO Flugzeuge, der Granaten der Rebellen und der Gaddafi-Truppen während der Kampfhandlungen zwischen 40 bis 50 tausend Menschen in Libyen zum Opfer, eine eindeutige Trennung von beiden ist nicht möglich, es ist auch nicht redlich so zu Argumentieren, bekanntlich gibt es keine guten und bösen Bomben oder Granaten. Drittens: kommt in den Medien eine Berichterstattung des Konfliktes zum tragen, die eher einer Kriegspartei entspricht und dies mit Rückgriff auf die RtP, die in keinster Weise in den Resolutionen zum tragen kam. Viertens: ist der Argumentationsweise in der Abfolge der Kampfhandlungen dem eigentlichen politischen Ziel Rechnung getragen worden, obwohl man es prinzipiell mit dem selben Tatsachenbestand zu tun hatte. Fünftens: Wenn es schon die Möglichkeit eines für alle Staaten gleichen Völkerrechtes und eine von der Politik getrennte Medienlandschaft gibt, dann sollte man erwarten dürfen das die Berichterstattung über die Ereignisse in Libyen differenzierter und wesentlich mannigfaltiger hätte ausfallen sollen, als dies der Fall gewesen war. Nur einmal ein kleiner Vergleich, als die US-Besatzungstruppen im Jahre 2004 die irakische Großstadt Falludscha entvölkerte und in Schutt und Asche legte, wurde dieses in den Massenmedien kaum zur Kenntnis genommen, auch das es durch die US Invasion des Iraks 2,5 Mio. Binnenflüchtlinge existieren und 1,8 Mio. Iraker ins Ausland flüchteten spielt bis heute in den Massenmedien keine Rolle.

Das Libyen im Chaos versinken würde zeichnete sich bereits 2012 ab. Es änderte sich recht wenig zum Jahr 2011, Demonstrationen sind an der Tagesordnung und der Bürgerkrieg ist noch nicht vorbei, wie der 23. Januar 2012 in Bani Walid zeigte. Die Bewohner wehrten sich gegen die Übergriffe durch die neuen Regierungstruppen. Es ist zweifelhaft ob sich die Lage in Libyen in nächster Zeit beruhigen wird, der Übergangsrat bezichtigt alle die ihn kritisieren als Gaddafi Anhänger um so eine Legitimation zur Unterdrückung der Kritiker zu schaffen. In den westlichen Medien hört sich das dann so an : Spiegel Online 23.01.2012 : In Bani Walid haben sich Milizen der neuen Regierung und Anhänger des getöteten libyschen Machthabers Gaddafi heftige Gefechte mit schweren Panzerabwehrwaffen geliefert. Auch die eigentlich täglichen Demonstrationen waren für die westlichen Massenmedien kein großes Thema mehr, vielmehr wurde der Eindruck vermittelt das es in der Postgadaffiära recht ruhig geworden ist in der libyschen Republik. Dies gelang jedoch nur bis zum Tod des US-Botschafters in Bengasi. Das es immer noch Widerstand gegen die neuen Machthaber gibt, deutet jedenfalls darauf hin das die sogenannte Demokratisierung Libyens noch etwas länger auf sich warten lässt als ursprünglich Gedacht. Das Mohammed Schmähvideo war auf jeden Fall nicht der Auslöser das das US Konsulat mit Mörsergranaten angegriffen wurde.

Menschenrechtsgruppen beobachteten auch mit Sorge, dass Folterungen und außergerichtliche Hinrichtungen in den Jahren 2012/13 weiterhin an der Tagesordnung waren. Es zeichnete sich ein Dejavu an den Januar 2011 in der Kyreneika ab. Libyen ist eigentlich ein Musterbeispiel für die verfehlte Politik der westlichen Staatengemeinschaft, mit Bomben und Garanten lassen sich keine Menschenrechte beschützen und auch keine Demokratie herstellen. In den allgemeinen MASSENMEDIEN erfährt man davon leider sehr wenig, nur in den Internetmedien ist es teilweise ein Thema. Auch ist erstaunlich das in den Zeitungen, TV-Nachrichten und Radiomeldungen zeitgleich die selben Nachrichten erscheinen, was wohl darauf schließen lässt das die Urheber der Nachrichten die selben sind. Wenn die Quellen aber die selben sind wie kann es dann eine unabhängige Berichterstattung in den Medien geben? Auffallend ist auch das selten Hintergrundnachrichten zum Konflikt transportiert wurden, sondern nur Nachrichten. Aber auch hier gilt wieder: Ohne den Hintergrund einer Nachricht zu transportieren ist eine Nachricht nur eine Nachricht, eine Momentaufnahme im Ablauf der Zeit.

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