Der Streit um die Krim
Eigentlich ist der Streit und das Gezeter um die Krim ein ziemlich abgefahrenes Spiel um die Deutungshoheit der Geschehnisse um die drei ukrainischen Marineschiffe und lenkt dabei meinen Blick auf den eigentlichen Streitpunkt: die Krim. Im Deutschlandfunk las ich den Artikel "Klare Signale gegenüber Putin müssen her", darin behauptet die Autorin zum Beispiel die drei Schiffe der ukrainischen Marine haben legal und legitim gehandelt bei dem Versuch die die Meerenge von Kertsch zu passieren. Das ist hier zu Lande wohl die gängiste These wie sie auch im Presseclub im ARD vom 02.12.2018 im Grunde genommen wiederholt wurde. Grundlage der Behauptung ist der Verweis auf die UN-Seerechtskonvention und dem bilateralen Vertrag von 2003.
Nun dazu ist aus meiner Sicht zu sagen das die Journalisten die "Vereinbarung zwischen der Russischen Föderation und dem Kabinett der Ukraine hinsichtlich Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Navigation im Asowschen Meer und der Straße von Kertsch" aus dem Jahre 2012 nicht kennen, der auf dem Vertrag über Kooperation, Freund- und Partnerschaft aus dem Jahre 1997 aufbaut, den Vertrag von 2003 im Grunde genommen ersetzte und im November 2012 in Kraft trat. Den Verträgen zu Folge müssen für Passage die Schiffe der ukrainischen Marine bei der zuständigen Hafenbehörde anmelden und auf deren Anweisungen achten. Die russischen Behörden können zum Beispiel die Durchfahrt ukrainischer Schiffe nicht verweigern da beide Vertragspartner das Recht auf freie Durchfahrt garantieren. Das Anmelden hätten sie eigentlich auch tun müssen, selbst wenn annimmt das die Krim noch zur Ukraine gehören würde und ob die Kommandanten der Schiffe die auch wirklich gemacht haben ist nicht bekannt, Ukraine sagt ja und Russland sagt nein.
Man kann auch die UN Seerechtskonvention Part III heranziehen und man wird nicht unbedingt schlauer, besser gesagt wie die Journalisten auf ihre Behauptungen kommen ergibt sich daraus nicht. In Artikel 38 und 39 wird das Thema nähmlich behandelt. Dem zu Folge greift hier der bilaterale Vertrag aus dem Jahr 2012, denn die Seerechtskonvention verweist in Artikel 39 Sektion Zwei auf die Praktiken und Verfahrensweisen die der Sicherheit auf hoher See und der Vorbeugung von Kollisionen dienen. Auch aus diesem Grunde kann ich der Argumentation des Deutschlandfunk-Artikels und der beteiligten Journalisten am Presseclub irgendwie nicht richtig folgen.
Sieht man sich dann die Passage der Straße von Kertsch an, so ist diese wohl auch nicht einfach. Laut dem verlinkten Wikipedia-Artikel befährt man im nördlichen Teil des Seefahrtsweges den Kertsch-Jenikalski-Kanal, der eine künstliche Vertiefung des sonst nicht schiffbaren Abschnitts darstellt, bis 2014 sowohl ukrainisches wie auch russisches Staatsgebiet tangierte und im übrigen nur 120 Meter breit ist. Seit 2017 kommt zu dieser Einschränkung beim Durchfahren des Seeweges noch die limitierte Durchfahrtshöhe der Krimbrücke von 35 Metern hinzu, wobei hier anzumerken ist das der maximale Tiefgang der Schiffe die den Kanal passieren wollen seit den 1960er Jahren bei maximal 8 Meter liegt. Aus diesem Grunde ist die Behauptung das Schiffe der PANAMAX-Klasse den Hafen von Mariupol angelaufen haben recht unglaubwürdig, diese haben einen Tiefgang von von 12 bis 14 Metern (Vollgeladen). Hier passt einiges in der Weise der Erklärung wohl ganz offensichtlich nicht zusammen.
Also ohne Anmeldung ist die Passage des Kertsch-Jenikalski-Kanals wohl schon aus nautischen Gründen nicht besonders ratsam. Hinzu kommt das Russland seit 2014 defacto die alleinige Verfügungsgewalt über die Passage der Straße von Kertsch hat und hier würde ich dann den Journalisten eindeutig widersprechen. Das Erzwingen der Durchfahrt der Straße von Kertsch ohne Autorisation der Hafenbehörden widerspricht sowohl der UN-Seerechtskonvention sowie der Verträge von 2012, 2003 und 1997. Hier sei darauf verwiesen das die Sicherheit auf diesen Schifffahrtswege ein wichtiger Bestandteil dieser Verträge sind. Dagegen spricht jedoch das sogenannte Völkergewohnheitsrecht welches in der UN-Seerechtskonvention Part II niedergelegt wurde, da die Ukraine Anrainer des Asowschen Meeres ist und dem zu Folge auf über Zufahrtsrechte zu diesem besitzt. Zwar wurde das Asowsche Meer durch den Vertrag von 2003 zu einem binationalen Binnenmeer erklärt, jedoch existiert eine Zufahrt eben über die Straße von Kertsch und dem zu Folge hat die Ukraine ein "natürliches Anrecht" auf die Passage ihrer Schiffe oder Schiffe die ukrainische Häfen ansteuern.
Auf der anderen Seite sollte man auch bedenken das Russland die autonome Republik Krim 2014 tatsächlich Völkerrechtswidrig aufgenommen hat, wobei der gängigste Begriff in den Medien Annektion selber wohl nicht richtig ist. In meiner Sichtweise auf den Konflikt um die Krim passt der Begriff Annektion nicht, da die Annektion im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung fremden Landes mittels eines Angriffskrieges bedeutet. In Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta heißt es: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Nur im Falle der Krim gab es keine solche Gewaltandrohung oder Anwendung durch Russland, sondern dieser Aufnahme ging bekanntlich der Wille zur Sezession durch die Behörden und der Mehrheit der Bevölkerung der autonomen Republik Krim voraus, die die am 22.Februar 2014 durch einen Parlamentsputsch an die Macht gekommene Übergangsregierung unter Andeij Jazenjuk in Kiew nicht mehr anerkannten. Ich schreibe deswegen Parlamentsputsch da das Parlament weder eine verfassungskonforme Handlungsweise an den Tag legte, noch die dazu nötige zweidrittel Mehrheit für die Absetzung der Regierung Janukowytsch besaß. Es enthob Janukowytsch nicht nach Art. 111 der Verfassung, also durch ein Impeachment-Verfahren, sondern stellte mit einfacher Mehrheit dessen "Unfähigkeit zur Amtsausübung" fest.
Die Übergangsregierung Jazenijuk hatte dann am 23. Februar 2014 das Sprachengesetz von 2012 mittels Parlamentsbeschluss außer Kraft gesetzt, was von der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim und des Donbas als Signal zur endgültigen Sezession vom ungeliebten Mutterland Ukraine verstanden wurde. Was folgte war das Referendum vom 16. März 2014, in dem die Mehrheit der Bevölkerung der Krim für das Verlassen der Krim aus dem Staatsgebilde Ukraine und für die Eingliederung in die Russische Förderration stimmte. Man kann zwar diese Aktion der Regionalregierung der Krim aus Rechtsgründen für nichtig halten, nur sei hier angemerkt Sezessionen halten sich nicht zentralstaatliches Recht und sind generell ein innerstaatliches Problem das es politisch zu lösen gilt. Nur gab es von Seiten der neuen Kiewer Zentralregierung keinen Willen den innerstaatlichen Konflikt friedlich zu regeln und obendrein gab es keine Gesprächsangebote um den Konflikt zu entschärfen.
Das man nun in Brüssel, Berlin, Paris, London und Washington auf die Sprachregelung einer Annektion der Krim durch Russland geeinigt hat macht die Sprachregelung in meinen Augen nicht gerade viel richtiger, denn der Beitritt der Krim zur Russischen Föderation war nun mal keine Annektion gemäß der UN-Charta. Annektionen die diesem Kriterium entsprechen waren zum Beispiel die Einverleibung Kuweits 1990 durch den Irak oder die Annektion Ost-Jerusalems 1967 im Zuge des Sechs Tage Krieges durch Israel. Der Beitritt der autonomen Republik der Krim zur russischen Föderation war meines Erachtens aber Völkerrechtswidrig, da Russland und die Ukraine keine zwischenstaatlichen Verträge schlossen um diesen Übergang rein formal und bilateral abzusichern, d.h. Gebietsstreitigkeiten und zukünftige Eigentumsforderungen auszuschließen. Man sollte hier auch bedenken das Russland und die Ukraine 1997 einen Frieden und Freundschaftsvertrag ratifiziert haben, beide Seiten garantierten laut diesem Vertrag die Integrität des jeweiligen Staatsterritoriums. Dieser Vertrag wurde erst 2018 einseitig von der Ukraine gekündigt mit Wirkung zum 1. April 2019.
Die Sezession der Krim geschah dem zu Folge in einer Grauzone des Völkerrechts. Russland übernahm zum Beispiel einen Großteil des dort stationierten militärischen Eqiuqments unter Zwang ohne Einwilligung der Gegenseite. Im Grunde genommen kann man das drehen und wenden, letztendlich bleibt letztendlich es eine Frage der Interpretation. Das sieht man am Beispiel des Kosovo, 1999 wurde per UN-Beschluss die Integrität des serbischen Territoriums bestätigt, dies hinderte die EU, USA und NATO nicht daran 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien zu feiern und anzuerkennen.
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Straße von Kertsch - Wikipedia
Die Nutzung der Straße von Kertsch und des Asowschen Meeres ist im russisch-ukrainischen Kooperationsvertrag vom 24. Dezember 2003 geregelt. Darin werden beide Gewässer als gemeinschaftlich genutzte