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Der demographische Wandel

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Das die meisten Wortmeldungen zum demographischen Wandel die man heutzutage in der Presse und in den öffentlichen Diskursen kursieren malen uns meistens Schreckensgeschichten an die Wand und werden dann als warnender Beitrag gewertet. Es handelt sich meistens um kurzsichtige Sichtweisen und so entstehen dann die überalternde Gesellschaften, da angenommen wird das die Rahmenbedingungen in 20, 30 oder 50 Jahren immer noch die selben sein werden wie heute.

Anscheinend wird kaum zur Kenntnis genommen das lediglich über Effekte des Bevölkerungswandels diskutiert wird, aber keinesfalls über den Bevölkerungswandel selber. Dies bedingt auch das die Diskussion zumeist sehr abgeflacht wirkt und Hintergründe und Ursachen meistens ausklammert. Die Merkmale des Diskurses werden primär dadurch beeinflusst, das man fast nur demographische „Erklärungen“ zu hören bekommt über deren Sinn sich der Ottonormalverbraucher so ziemlich wundern kann, er kennt nämlich den Hintergrund meistens nicht. Fast keine Berücksichtigung findet in den aufgeregten Diskursen, das der gesellschaftliche Kontext im 21. Jahrhundert ein anderer ist, als der im 19. Jahrhundert oder der im 18. Jahrhundert. Folglich lassen sich Argumente und Interpretationen aus dieser Zeit auch nicht problemlos fortschreiben und deshalb haben sich Gesetzmäßigkeiten die im 20. Jahrhundert noch richtig waren, als wenig tragfähig herausgestellt für die zukünftige Prognosen. Nahezu alle Beiträgen zur Demographie würde auch ein tieferes Verständnis über den Gegenstand Demographie und eine gewisse Differenzierung der Tatsachenbestände gut zu Gesicht stehen. Vor allem ist seltsam das die Demographie fast nur auf den Bevölkerungszähler zentriert wird in den Diskursen, die Problematik wird vor allem vor dem ökonomischen und nicht wie man annehmen sollte im sozioökonomischen Rahmen betrachtet. Im Rahmen der Demographie fallen besonders die Hiobsbotschaften auf, die eine große Webewirkung entfalten. Diese Thesen und Prognosen kann man wohl ein Geschäftsmodell von „Experten“ und „Querdenkern“ nennen, die anscheinend einen sehr abgeflachten politischen Diskurs anregen sollen.

Der Erklärungsgehalt dieser Geschäftsmodelle zu den demographischen Effekten relativierten sich relativ schnell, wenn man andere sozioökonomische Aspekte einer komplexen Bevölkerungsstruktur mit einbindet. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden komplexe gesellschaftliche Probleme und soziale, sowie ökonomische Entwicklungen, zumeist eindimensional in die Demographie eingebunden. Eigentlich lächerlich ist dabei das wichtige soziale, ökonomische, politische oder kulturelle Sachverhalte faktisch banalisiert werden und eindimensional dargestellt werden. Beispielhaft zeigte sich dies in den Debatten zur Entwicklung der Beschäftigung, es werden selbst historische und sich abzeichnende technologische Prozesse und Veränderungen der Arbeitsorganisation nicht mit eingebunden. Andererseits werden utopische Anforderungen gestellt, wie beim angeblich demographisch verursachten Fachkräftemangel, den gab es anscheinend in der alten BRD bereits seit den 1960er Jahren. Um die demographische Tragfähigkeit öffentlicher Schulden und der generationengerechten Finanzierung sozialer Sicherungssysteme als fragwürdig darzustellen werden in der Regel Einzeldarstellungen verwendet, diese sind zwar anschaulicher haben aber eigentlich keine Aussagekraft auf den gesamten Themenkomplex. Absolut verkürzt werden zum Beispiel die unzählige Aussagen zu den Effekten der „Alterung“ der Gesellschaft auf die Produktivität der jeweiligen Beschäftigten und zur generellen Entwicklungsdynamik ganzer Volkswirtschaften und damit sind sie eigentlich wissenschaftlich haltlos, denn nicht nur jung und expansiv sind innovativ, produktiv und wachstumsförderlich, wobei die Sache mit dem ewigen Wachstum wohl eher einem Schneeballsystem gleichkommt. Die Liste ließe sich beliebig ergänzen, da in Politik, Medien und Öffentlichkeit der Drang groß ist, dynamische soziökonomische Prozesse für die Kommunikation beherrschbar zu gestalten. So werden dann auch gerne auf über Jahrzehnte angelegte Prognosen (Entwicklung bis zum Jahr 2040/50/60) angeführt und auf Kausalitäten im Hinblick auf das biologische Alter abgehoben und so gehofft, es würden sich damit eindeutige, objektive Ergebnisse „beweisen“ lassen und Handlungsempfehlungen automatisch ergeben.

Nun ist der Hinweis zwar banal aber zutreffend, dass es mit der Tragfähigkeit und Objektivität von Prognosen nicht weit her ist – besonders wenn sie eine weit entfernte Zukunft betreffen, dieses Phänomen ist nicht nur aus den Gesellschaftswissenschaften bekannt. Selbst in normalen Zeiten lässt sich etwa die Konjunkturentwicklung von den volkswirtschaftlichen Abteilungen in- und außerhalb der Universitäten und der „Wirtschaft“ über einen kurzen Zeitraum hinaus nicht exakt prognostizieren. Die Revision der Prognosen ist hierbei schon ein Alltagsgeschäft der sogenannten Wirtschaftsweisen und der Wirtschaftsinstitute. Ganz zu schweigen von fehlerhaften oder ganz fehlenden Deutungen wie jeder exemplarisch im Umfeld der jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise beobachten konnte. Von der Mehrheit der Fachwissenschaft, in Politik und Medien ist diese Krise nicht einmal im Ansatz „prognostiziert“ oder gar für möglich gehalten worden, sondern die Anzeichen wurden, da sie sich seit 2004 immer mehr verdichteten, kategorisch ignoriert. Aber nicht die statistischen Schwierigkeiten der Prognose sind entscheidend für die Kritik an den zeitgenössischen Debatten um den Bevölkerungswandel. Zahlen für sich sagen nämlich gar nichts aus, sie müssen interpretiert werden. Die Prognosen beruhen generell auf Statistiken, die je nach Szenario hochgerechnet werden und Szenarien gibt es viele. Statistiken wiederum bestehen aus Zahlenwerken die einerseits die Realität darstellen können und auch wiederum nicht, es kommt nur darauf an welchen methodischen Ansatz zur Erstellung einer Statistik ich folge und welches Zahlenmaterial ich für sie auswähle und welche Komplexität ich verwende. Welche Zahlen und welches Szenarios der ökonomischen und sozialen Entwicklung ich verwende, bestimme ich selber. Da fängt dann die Problematik an, denn die Interpretation setzt dabei auf sozialwissenschaftlicher Annahmen und einem theoretischen Ansatz.

Auch zu bedenken ist das Annahmen wie auch das theoretische Gerüst sind nie objektiv richtig oder falsch und deswegen kaum als eindeutig zu bezeichnen sind. Zu jedem Ansatz eine Eindeutigkeit zu erzielen gibt es mindestens ein zweiter Ansatz der dieses auch versucht, jedoch mit einem anderen Ergebnis, da ein anderer theoretischer Bezug genommen wurde und die Gewichtung der Effekte verändert wurde. So verändert sich auch der Inhalt der Prognose, vergleichbar ist dieses mit den Prognosen zum Klimawandel. Wie bei dem demographischen Wandel werden auch bei Prognosen zum Klimawandel verschiedene theoretische Ansätze verfolgt, bei letzteren gibt es immerhin sechs anerkannte Szenarien und beim demographischen Wandel gibt ebenfalls eine Unzahl von theoretischen Modellen, die auf verschiedenen theoretischen Grundannahmen beruhen. Wir wissen das sowohl der demographische Wandel und der Klimawandel kommen werden, man weis jedoch nicht wie stark beide Veränderungen ausfallen werden, denn Zahlen/Fakten, theoretische Grundannahmen und Modelle sind keine Glaskugel aus der man die Zukunft ersehen kann. In beiden Fällen kommt zusätzlich hinzu das man lediglich die Grundprinzipien kennt, man kennt weder die genauen Handlungs- bzw. Arbeitsabläufe die sich zukünftig ergeben werden.

Der Klimawandel zum Beispiel beruht auf physikalischen Gesetzen, deswegen kann man Aussagen darüber treffen wie sich die Atmosphäre und Ökosphäre verhalten wird, wenn ein bestimmtes Stadium erreicht wird. Jeder kennt die Szenarien die von einer Klimaerwärmung von 2 bis 10 Grad sprechen. Beim demographischen Wandel hat man es jedoch nicht mit mathematischen und physikalischen Gesetzen zu tun, sondern mit dynamisch entwickelnden Gesellschaften. Wir kennen weder die zukünftigen politischen, ökonomischen, sozialen Trends, die genaue Veränderung der Ökosphäre durch den Klimawandel und selbst die Veränderung innerhalb der Bevölkerungswissenschaft kennen wir nicht. Allein deshalb verbietet sich jeder unkritische Bezug auf die normative Kraft von Zahl/Statistik/Methode und die Aussagekraft langfristiger Prognosen in Bezug auf die demographische Entwicklung und die daraus entstehenden Handlungsempfehlungen.

Dies ist der formale Kern der modernen Bevölkerungswissenschaft bei den Prognosen zur Demographie. In der demographischen Debatte werden sogenannte fundierte „Meinungen“ im Fachjargon von sogenannten Experten vorgetragen und als objektive Tatsachen präsentiert. Diese sogenannten Experten, in der Regel mit akademischen Titeln ausgestattet, präsentieren dabei ihre Arbeiten als alleinige unumstößliche Wahrheit und lassen daran auch keinen Zweifel. Durch Lobbys und politische Berater werden diese vermeintlich „objektiven Meinungen“ zur Richtschnur des politischen Handelns umgearbeitet, wie bei jenem mysteriösen demographischen Faktor, der heute als Nachhaltigkeitsfaktor bezeichnet wird, der in die Berechnung der Renten in Deutschland mit eingeflossen ist. Durch die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsfaktors bei der jährlichen Berechnung des aktuellen Rentenwerts wird das Nettorentenniveau langfristig sinken. Dennoch bleibt die Anhebung der Renten auch künftig an die Bruttolohnentwicklung gekoppelt, was an für sich ein Paradoxon darstellt, denn mit stagnierenden Löhnen ergeben sich aufgrund der Inflation Realeinkommensverluste für die Rentner fast automatisch und das scheint der Zweck sämtlicher Rentenreformen der letzten 30 Jahre gewesen zu sein.

Das nennt man dann „Generationengerechtigkeit“, denn die prozentualen Belastungen für die arbeitende Bevölkerung hat sich im Grunde genommen nicht verringert, die Beiträge sind seit 30 Jahren recht stabil, sondern über Verbrauchssteuern wurden diese darüber hinaus erhöht, nicht umsonst schießt der Bund 80 Mrd. € jährlich in den Rententopf zu. Ergo, die Rentner finanzieren ein Teil der Rente selber, so könnte man denken. Nein das stimmt so auch nicht ganz, mit diesen 80 Mrd. € werden die Kosten der deutschen Einheit immer noch geschultert, denn Subventionen die an private Investoren und für Infrastrukturprojekte gezahlt werden, werden teilweise über den Rententopf finanziert. Nun hat man es aber mit Wirkmächtigkeit der Zahl 80 Mrd. € zu tun und so wird teilweise sehr gezielt über die Medien suggeriert, das dadurch das die steigende Anzahl der Rentenempfänger, 2011 waren es ungefähr 25 Mio., den Staat in seiner Handlungsfähigkeit einschränken würde, dieses obwohl das Sozialbudget gemessen am Bruttoinlandsprodukt im sinken begriffen ist und die Rentenzahlungen einen Anteil von ca. 32 % (2007) am Sozialbudget haben. Unverblümt wird von Politik und Medien über die Wirkmächtigkeit von Zahlen der Eindruck vermittelt, das die Alten eine ständige Last sind, zu viel kosten und zu wenig Leistung erbringen. Vielmehr verabschiedet sich die Politik in den Industrienationen von jedem Anspruch einen Gestaltungswillen zu entwickeln, in der Frage zukünftiger demographischer Entwicklungen. Man kann diese auch positiv beeinflussen, sei es durch Anreize zur Geburtenerhöhung, Kinderbetreuung oder der Migration.

Es wird unter Ausnutzung der Betonung heutiger demographischer Aspekte ein rein technokratisches Denken bei der Umsetzung vermeintlich alternativloser Vorgaben an den Tag gelegt und auf angebliche ökonomische Zwänge verwiesen die sich zukünftig ergeben könnten, wenn die Prognosen zu treffen sollten. Als die primäre Ursache der sozialer Ungleichheit wird suggeriert das die erwartete zukünftige ökonomische Dynamik durch die Umbrüche in der Gesellschaft gestört werden könnte und damit erscheint in dieser Perspektive es relativ zwingend darauf zu verweisen, dass die wachsende Zahl der Rentner und die eher sinkende Geburtenraten ein Übel der Zeit ist und negative Auswirkungen auf die Zukunft haben könnte. Ich habe im vorhergehenden Abschnitt ganz bewusst die unterstrichenen kann hervorgehoben und dieses aus einem Grund: diese „könnten“ stören nämlich die idealtypische Modellwelt der Bevölkerungs- und Wirtschaftswissenschaften, denn in deren Idealwelt stört ein Faktor, der Mensch. Dieses wusste schon John Law 1720 zu berichten, der Mensch war in seinen mathematischen Gleichungen zur Prognoseerstellung ein Störfaktor, den er nur unzureichend einbinden konnte. Hier trifft man dann, wie an der Endlosschleife der Meinungsäußerungen in Politik, Wirtschaftsverbänden und Medien erkennbar wird. Es wird ein eher negativ geprägtes Verständnis von Menschen verursachten Entwicklungen in der Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaft projiziert. Negativ geprägt deshalb, da die „Bevölkerung“ in der Ökonomie und im stark modeltheoretischen Ansatz zukünftige Entwicklungen hervor zu sagen immer der primäre Störfaktor ist. Das Handeln des Menschen im allgemeinen lässt sich einerseits nie hinreichend in die Modelle integrieren und so ist die Vereinfachung der Aussagekraft der Ergebnisse aus diesen Modellprojektionen geradezu eine Pflichtübung um eine mögliche Projektion auch glaubhaft und als alleinige Wahrheit darstellen zu können.

Andererseits ist seit dem 18. Jahrhundert ersichtlich das von manchen Wissenschaftsvertretern und den Medien werden sehr gerne extreme Szenarien herangezogen werden, um Angst zu verbreiten. Einerseits wurde das schnelle Bevölkerungswachstum seit den 18. Jahrhundert allein verantwortlich gemacht für das soziale Elend in der frühes Phase des Kapitalismus im westlichen Europa, siehe Thomas R. Malthus. Andererseits wurde der Mitte des 19. Jahrhunderts von Teilen der Wissenschaft eine sozialwissenschaftliche Debatte losgetreten, das sich ja immer die falschen Menschen vermehren würden, dieses war dann die Grundsteinlegung für den Sozialdarwinismus, heute noch vertreten gewisse prominente Persönlichkeiten diese Ideologie, unter ihnen ein Thilo Sarrazin. Wiederum und andererseits bereitet die Altersstruktur heutzutage Kopfschmerzen, was nun wiederum eugenische oder sozialdarwinistische Ansätze beflügelt sich wiederum in die Debatte einzuschalten, um heute wie damals die ökonomische Leistungsfähigkeit des sogenannten „Volkes positiv“ zu beeinflussen. Daraus ergibt sich eines: Ob das Volk schrumpft oder sich vermehrt, für die Welt der Ökonomie wird dieses immer ein Rätsel bleiben und das zeigt dann wie die Bevölkerung es auch anstellt in ihrer Reproduktionsweise, die idealtypische Welt der Modelle der Wirtschaftswissenschaften und der Sozialwissenschaften stört alleine die Bevölkerung selber was sicherlich bis zu einem gewissen Grade ein Paradoxon darstellt. Für die Bevölkerung ist jedoch nicht die theoretischen Abhandlungen in den Prognosen entscheidend sondern man kann es drehen und wenden wie man will, die soziale Gerechtigkeit und der Wohlstand steht dabei im Vordergrund. Es ist vielmehr die Frage nach dem Social Value und in diese Frage werden zumeist auch recht persönliche Projektionen involviert. Nimmt man das eher hohle Argument der „Generationengerechtigkeit“ so identifiziert sich eigentlich jeder damit, denn unter diesem Begriff werden sehr persönliche Wunschvorstellungen vom deutschen Michel in diesen Begriff hineininterpretiert, denn der Begriff selber ist sehr Unbestimmt in seiner Aussagefähigkeit. Einerseits ist der Begriff selber ziemlich eingängig, modern und jeder kennt ihn, nur weis wohl kein Mensch was damit wohl eigentlich gemeint ist. Gerechtigkeit streben wir alle an und Generationen vor uns gab es wohl auch schon eine Gerechtigkeit unter den Generationen, ein Schelm wer Böses dabei denkt. Dabei ist der Begriff Generationengerechtigkeit das was man im allgemeinen als orwellsches Neusprech bezeichnen könnte. Den Begriff selber kann man erst seit den 1970er Jahren in der Diskussion finden und zwar als Kampfbegriff in der sogenannten Sozialstaatsdebatte. Jedoch findet sich auf dieser Diskursebene kein annähernd zutreffendes Verständnis von Generationengerechtigkeit und dessen Funktionen in der Debatte. Mit Hilfe medial inszenierter Tabubrüche ließen sich deshalb relativ unwidersprochen über die geschmeidige Wortschöpfung zunehmend Positionen medialisieren, die einstmals als klar reaktionär bzw. zumindest stark rechtskonservativ bedenklich galten, nämlich das allmähliche Auflösen der Sozialgemeinschaft zugunsten einer ökonomisierten und weitestgehend privatisierten Gesellschaft. Das entstehen einer Nachdenkblockade verhindert oft zu fragen, denn die meisten gehen davon aus zu wissen was mit dem Wort Generationengerechtigkeit eigentlich gemeint ist. Sie gehen dabei aber von eignen Wunschvorstellungen aus was mit der Generationengerechtigkeit aus ihrer Sicht exakt meint werde, hinzu kommt das das im gleichen Zusammenhang gebrauchte Wort Reform, ein Linguistisch positiv besetztes ist. Mit in diesen Kontext muss auch das Wort Eigenverantwortung mit eingebunden werden, da dieses ein nachgefühltes Pseudoargument eigentlich ist und nur eine rhetorische Bedeutung hat. Daher kommt es das die meisten schnell dabei sind, Generationengerechtigkeit irgendwie richtig, gut und für wichtig zu befinden. Die Problematik besteht darin das in dem Wort Generationengerechtigkeit überhaupt keine greifbare Information steckt.

Man kann es sowohl, wie in der Debatte geschehen, aus der Sicht der jungen Generation anwenden, aber genauso lässt es sich aus der Sicht der älteren Generation, den Rentnern, anwenden. Wer mit dem Wort Generationengerechtigkeit etwas positives verbindet sollte sich besser die Wirkungsweise der Reformen in ihren angestrebten späteren Ergebnissen ansehen, dazu benötigt man die Grundlagentexte und die Definitionen der in den Reformen enthaltenen Fachwörter, manchmal sind diese schwer zu verstehen, die angewande Sprache mit der sie verknüpft werden und die Wirtschafts-, Sozial-, Finanzpolitik mit in diesen Themenkomplex mit einbinden. Denn vielfach sind die Personen in der Politik, diesen Personen vertraut man ja, nicht willig die Bedeutung des Wortes zur erklären oder sie sind nicht dazu in der Lage da sie die Bedeutung wohl selber nicht kennen. Begriff, Konzeption sowie die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen zur Erzielung von Generationengerechtigkeit, stammen nämlich fast ausnahmslos aus dem heute so genannten Neoliberalismus, dessen Ursprünge sich aber eigentlich bis weit in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen und auch schon in Ansätzen bei Adam Smith zu finden sind. So hat die heutige Form des Neoliberalismus sehr viel mit dem sogenannten Manchesterkapitalismus gemein, der eine Art Idealfall des Kapitalismus darstellt. Die dahinter stehende Logik setzt deshalb auf einen Rumpfstaat, der nur geringen Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik nimmt und den handelnden Akteuren frei Wahl lässt bei dem Einsatz der Mittel. Deshalb wird nicht nur das primär angewande Sparen um jeden Preis-Politik (Austeritäts-Prinzip) auf Biegen und brechen verfolgt. In der Gesellschaftsgestaltung setzt dieses auch voraus, das alle sozialgesellschaftlichen Belange von dieser Spar-Politik erfasst werden. Neben einer strikten Kostensenkungspolitik in den Sozialsystemen, wird im System der gesetzlichen Rente zusätzlich sämtliche Leistungen der medizinischen Versorgung und Pflege zur Disposition gestellt und die vormaligen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen praktisch ausgelagert und privatisiert. In den Diskursen, in den 1990er Jahren, wurde meist eine Förderung von mehr Eigenverantwortung in Aussicht gestellt, wenn man sich die Förderung von Eigenverantwortung dann einmal genauer ansieht stellt man sehr schnell fest, z.B. in der Riester Rente, das es sich hierbei ein sehr bewusst eingeführte Mehrbelastung der arbeitenden Bevölkerung handelte und der Nutzen der sogenannten Eigenverantwortung sich als sehr gering herausstellt. Zum einem sind die Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen nicht signifikant gesenkt wurden, wie die Theorie der Eigenverantwortung es eigentlich voraussetzen würde. Es sind jedoch die Leistungskataloge aus den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen politisch rationiert wurden, so das es zu einer weiteren Einschränkung durch die privaten Anbieter im System der Gesundheits- und Altersvorsorge kam, da diese vom Einkommen nun wiederum abhängig ist. Praktisch gesehen hat man mit den neumodischen Wörtern wie der Generationengerechtigkeit, der Eigenverantwortung und dem demographischen Wandel der Bevölkerung eines schmackhaft gemacht, die Absenkung ihrer eignen sozialen Standards. Sie dienen Politikern, sogenannten „Experten“ und Journalisten als Legitimation zur Begründung von Sozialabbau, Aufweichung von Arbeitnehmerschutzrechten usw. Wobei der sprachliche Umstand ausgenutzt wird bzw. zum Tragen kommt das in der BRD immer von Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Rede ist, nur als Hinweis Arbeitgeber ist ein linguistisch positiv besetztes Wort und Arbeitnehmer ist ein negativ besetztes Wort. Was nun wiederum dazu führt das der Werktätige, Marx nannte ihn Proletarier, sich von vornherein in einer rhetorischen Defensive befindet, aber darauf gehe ich in einem anderen Text genauer ein, da dieses auch ein weites Feld ist. Da die Erfolge der sogenannten Reformen bei den Lohnabhängig Beschäftigten nicht ankommen, fragt sich logischer Weise jeder einmal welchen Sinn eine Wirtschafts-, Sozial-, Finanzpolitik macht, die immer nur zu einer Mehr- statt Wenigerbelastung der mittleren und unteren Einkommen führt und den oberen Vermögensschichten immer mehr Freiräume gestattet und zu Minderbelastungen für diese führt. Was daran „gerecht“ nun sein soll erschließt sich wohl nur demjenigen, der Gerechtigkeit als stetigen Kampf um sinkende Ressourcen und Darben auf niedrigem Niveau in einer Welt versteht, die jedoch vor finanziellem Reichtum und Fortschritten in der Produktivität nur so strotzt. Diese Denkweise von Gerechtigkeit wird von großen Teilen der Medien penetrant verbreitet und nimmt dabei Anleihen beim Sozialdarwinismus, was nun wiederum zur Entsolidarisierung der Werktätigen untereinander führen soll und nur den Profiten der Unternehmen Rechnung trägt. Sollte wie bei den Rentenreformen dennoch Kritik an dieser Politik aufkommen, so reicht der Allgemeinheit in der Regel schon der Verweis auf die sogenannte demographische Krise und der mangelnden Generationengerechtigkeit, um diese Kritik und der Forderung nach einem Politikwechsel vom Tisch zu wischen. Denn angesichts des prognostizierten demographischen Wandels verbiete sich ein solcher Wechsel, zumal die Lasten zukünftiger Generationen schon heute zu hoch seien, so der Grundtenor jeder lahmen Rechtfertigung des Versagens und Immunisierung vor Kritik und Gestaltungswillen in der sozialen Frage die sich wohl heute stellt. Dabei wird in rhetorischen Sinne auch die Schicksalhaftigkeit der Entwicklung in den Vordergrund gestellt und suggeriert, man könne diesem Schicksal ja nicht entgehen. Diese Art der Rhetorik erinnert dabei stark an die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als die Politik als Schicksalhaft und als nicht vom Menschen beeinflussbar den Massen suggeriert wurde, mit bekannten Folgen. Ungeachtet aller Lobbytätigkeiten, der medialen Kampagnen und dem täglichen „Einheitsbrei“ in den Medien käme man demnach bei der Argumentation für eine alternative Politik kaum weiter, da jeder vernünftige Mensch die „Fakten“ des Bevölkerungswandels akzeptieren müsse.

Wird diese mediale Endlosschleife nicht aufgelöst, bleibt die Gesellschaft in Konzepten gefangen, die von gestern sind, Probleme geschaffen haben die heute bereits greifbar sind und auch keinen signifikanten Nutzen erbracht haben bzw. auch morgen die Lösung gesellschaftlicher Probleme verhindern bzw. weitere und tiefgreifendere Probleme schaffen. Das oberste Prinzip dieser Politik scheint der Abbau des Social Value der Gesamtbevölkerung zu sein. Die Ungerechtigkeiten nehmen heutzutage schon stetig zu und werden diese Gesellschaft auf Jahrzehnte prägen und welcher Generation man dabei auch angehört ist vollkommen egal. Progressive Elemente die den Gestaltungswillen über zukünftige Entwicklungen zurückerlangen wollen bzw. müssen, haben keine andere Wahl als die leeren Worthülsen über Bord zu werfen und die Deutungshoheit über den Inhalt gesellschaftlicher Entwicklungen zurück zu erobern.

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