Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog

Die Hungerkrise 2022 und Russland ist Schuld?

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Entwicklung des Weizenpreises der Jahre 2021 und 2022 Quelle: Proplanta
Entwicklung des Weizenpreises der Jahre 2021 und 2022 Quelle: Proplanta

Weltweit sind im Jahre 2022 rund 828 Millionen Menschen von der Hungerkrise betroffen, eine Zunahme von 17 Mio. im Vergleich zum Jahr 2021. Allgemein wird die Schuld an der weltweiten Hungerkrise dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gegeben. Zum Beispiel wird von Alexander Graf Lambsdorff, FDP, diese These vertreten. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnt sogar vor beispielslosen globalen Hungerkrise aufgrund der russischen Invasion der Ukraine. Bundeskanzler Scholz reiht sich auch in den Reigen derer ein die Russland die Schuld an der Hungerkrise 2022 geben und zwar ohne Probleme. 

Dabei wird allzu gerne vergessen das 2021 bereits 811 Mio. Menschen von der Hungerkrise weltweit betroffen waren, davon waren 193 Mio. Menschen akut von Hunger bedroht. Die Tendenz wurde allgemein seit über zehn Jahren als stagnierend auf hohen Niveau beschrieben. 2015 waren ca. 795 Mio. Menschen von chronischer Unterernährung, so der eigentliche Terminus, betroffen. 2010 waren es noch 925 Mio. Menschen die an chronischer Unterernährung litten. Von 1990 bis 2010 sank der prozentuale Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung von 19,8% auf 15,1%, um bis zum Jahr 2014 auf 19,1% wieder zu steigen. Seitdem verblieb er auf hohen Niveau, 2022 betraf dies 18,2% der Weltbevölkerung. 

Der Krieg Russlands in der Ukraine hatte vor allem auf den Finanzmärkten den größten Effekt, die Preise zum Beispiel für Weizen verdoppelte sich innerhalb eines Jahres, wodurch auch die Preise auf den regionalen Märkten deutlich anzogen. Für die Versorgung der hungerleidenden Bevölkerung in Südasien und Afrika hat der Konflikt jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. Dieses kann man an Hand der Daten der Black Sea Grain Initiative nachvollziehen. Hauptempfängerländer der ukrainischen Lebensmittelexporte sind seit August 2022 die Staaten der EU und die Türkei. Spanien importierte aus der Ukraine über zwei Millionen Tonnen und Italien über eine Million von den ca. 11 Mio. Tonnen. In den Jemen gelangten mit Stand 16.11.2022 ca. 122.000 Tonnen, Afghanistan mit 70.000 Tonnen und Somalia 28.500 Tonnen an landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine. Anhand der Daten kann man nachvollziehen das die Lieferungen aus der Ukraine einen sehr geringen Anteil an der Versorgung der Krisenregionen Horn von Afrika, Sahel, Jemen oder Afghanistan hat. Das liegt vor allem daran das die ukrainischen Lieferungen zu Weltmarktpreisen abgerechnet werden, die notleidenden Länder sich diese Preise gar nicht leisten können und Risikoprämien für den Transport in Länder südlich der Sahara aufgelistet werden, die die Preise noch mehr in die Höhe treiben. Ein weiterer wesentlich wichtiger Grund: Das World Food Programme der UNO benötigt in diesem Jahr Finanzen von 22,2 Mrd. US-Dollar, hat aber realistisch nur 10,368 Mrd. US-Dollar an Hilfs- und Spendengelder zur Verfügung. 2021 hatte das WFP der UNO noch ein Budget von 15,7 Mrd. US-Dollar. Das heißt nicht anderes das das WFP chronisch unterfinanziert von der Weltgemeinschaft wird. Lobenswert: Die USA sind in diesem Jahr mit ca. 5,8 Mrd. US-Dollar der größte Geldgeber des WFP, gleichzeitig geben die USA ca. 900 Mrd. für Rüstung und ihre Armee aus, Tendenz stetig steigend. 

Also aus meiner Sicht Russlands Krieg in der Ukraine für die globale Hungerkrise 2022 die Hauptverantwortung zu zuschreiben ist etwas daneben. Verantwortlich für die Hungerkrise 2022 sind vielmehr alt bekannte Faktoren, wie die Dysfunktionalität der Finanzmärkte zu Hungerkrisen, kriegerische Konflikte (u.a. der Krieg in der Ukraine), mangelnde Investitionen, politisches und mediales Desinteresse und auch der von den Industriestaaten verursachte Klimawandel. Nur ein Beispiel: der Krieg im Jemen brach vor acht Jahren aus und seit rund sieben Jahren spricht die UNO von der größten humanitären Katastrophe unserer Zeit. In den deutschen Medien findet sich darüber nahezu keine Resonanz, die Bundesrepublik Deutschland beliefert vielmehr drei Hauptakteure in diesem Krieg mit deutscher Waffentechnik. Dieses sind Saudi Arabien, die Vereinigten arabischen Emirate und Ägypten. 

 Die permanenten Hungerkrisen auf diesen Planeten zeigen eines sehr sehr deutlich, es gibt ein extrem geringes politisches Desinteresse diese Problematik anzugehen. Dabei ist es zynisch einen Verantwortlichen zu benennen ohne die eigne Rolle kritisch zu hinterfragen. 

Kommentiere diesen Post