Interessante Zeiten

Wir leben schon in recht interessanten Zeiten, Deutschland setzt sich stark in Szene wenn es um Alexei Nawalny geht und will mit dem Fall der Vergiftung des Oppositionellen Außenpolitik gegenüber Russland betreiben. Naja könnte man meinen, Russland ist bekanntlich kein Rechtsstaat und die Gewaltenteilung alles andere als ausgeprägt. Aber Mord im Auftrag des Kremel? Ein wenig weit hergeholt oder anders ausgedrückt, eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten schwingt bei diesem Fall mal wieder mit, ja an die Zeiten des Josef Stalin. Fakt ist auf jeden Fall eines: Bei diesem Fall weis man mal wieder nichts genaues. Die OPCW schreibt folgendes: 

“Die Ergebnisse der Analyse der vom OPCW-Team genommenen und mit der Bundesrepublik Deutschland geteilten Analysen der Untersuchung von biomedizinischen Proben von Herrn Navalnys Blut und Urin durch die von der OPCW benannten Laboratorien bestätigen, dass die Biomarker des Cholinesterase-Hemmers, die in den Blut- und Urinproben von Herrn Nawalny gefunden wurden, ähnliche strukturelle Merkmale aufweisen wie die toxischen Chemikalien der Stoffe 1.A.14 und 1.A.15, die in der 24. Tagung der Konferenz der Staaten im November 2019 in den Anhang über Chemikalien des Übereinkommens aufgenommen wurden. Dieser Cholinesterase-Hemmer ist im Anhang über Chemikalien des Übereinkommens nicht aufgeführt.”

OPCW

Man kann auch nachlesen was mit den Stoffen 1.A.14 und 1.A.15 gemeint ist die nach der OPCW verboten sind. Was ein Cholinesterase-Hemmer ist dürfte auch bekannt sein und das ähnliche strukturelle Merkmale nicht unbedingt auf eine gemeinsame Herkunft verweisen dürfte auch bekannt sein. Denn unter der eher nebulösen Formulierung Nowitschok-Gruppe, den die Bundesregierung verwendet, verbirgt sich anscheinend lediglich die Gewissheit das es sich um einen Cholinesterase-Hemmer, also einer Organo-phosphatischen Verbindung gehandelt hat, die in ähnlicher Form auch in chemischen Kampfstoffen wie Sarin, VX und eben Nowitschok bzw. in medizinischen Präparaten oder zur Bekämpfung von Schädlingen in der Landwirtschaft zur Anwendung kommt. Zu den Ungereimtheiten kommt hinzu das man im Abschlussbericht der Charite anscheinend von einer Cholinergen Krise bei Nawalny spricht und eine Behandlung auswählte wie sie bei Vergiftungen von Pestiziden vorgenommen wurde. Bei einer cholinergen Krise kommt es zu einem Überangebot des Neurotransmitters Acetylcholin und die Ursache hierfür können Pestizide, Nervenkampfstoffe oder Medikamente sein. Das ist alles recht widersprüchlich, was mich aber am meisten stört ist das Nowitschok dem Vernehmen nach eine Gruppe von binären Kampfstoffen ist, d.h. nun wiederum das Zeug wird nicht als Nowitschok gelagert, sondern es werden zwei Komponenten gelagert die dann im Transportzylinder erst zu dem Nervenkampfstoff Nowitschok reagieren. Also braucht man ein dementsprechend ausgestattetes Labor, wenn man es herstellen will und sich nicht selber gefährden will. Okay das würde der FSB noch hinkriegen, schwieriger wird es dann Nawalnys Unterhose im Hotel damit zu präparieren. Will man sich nicht selber gefährden müsste der Derjenige einen Vollkörperschutz tragen, na okay das lässt sich auch noch arrangieren. Dann kommt das Nawalny die präparierte Unterhose anzieht und mehrere Stunden durch das Hotel, eine Stadt, Flughafen und Flugzeug spaziert und dann alle Gegenstände wo er sich anlehnt und hinsetzt mit dieser Substanz kontaminiert und keiner hat das gemerkt? Das bei einem Kampfstoff der im Milligramm-Bereich bei Kontakt seine tödliche Wirkung in wenigen Minuten entfalten soll? Kein anderer Mensch in seiner Umgebung oder mit denen er Kontakt hatte erkrankte oder zeigte zumindest Symptome einer Vergiftung. Das ist nämlich der Punkt der die Sache mit der Vergiftung des Alexei Nawalny mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok nicht wirklich plausibel erscheinen lässt.  

Das Alexei Nawalny vergiftet wurde will ich auch gar nicht anzweifeln, nur halte ich die Theorie mit dem Nervenkampfstoff für etwas zu übertrieben. Hinzu kommt das die Berichte der beteiligten Labore öffentlich nicht zugänglich sind, das hat nämlich die Bedeutung das eventuell der Wortlaut in den Berichten von der Bundesregierung vielleicht etwas aufgefrischt wurde? Wirklich clever gemacht, in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion heißt es:    

Die Bundesregierung spricht im Zusammenhang mit der Vergiftung von Herrn Nawalny von einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Gruppe der Nowitschok. Der Generaldirektor der OVCW hat diesen Begriff („nerve agent“) wiederholt in seinen Äußerungen gebraucht, so unter anderem bei der Eröffnung des 95. Exekutivrats der Organisation am 6. Oktober 2020

Deutscher Bundestag Drucksache 19/24659

In dem entsprechenden Dokument der OPCW heißt es: 

A recent demonstration of this situation is the alleged poisoning on 20 August of a citizen of the Russian Federation, Mr Alexei Navalny, with a nerve agent. On 3 September, I received a letter from the State Secretary of the Federal Foreign Office of Germany, H.E. Mr Miguel Berger, stating that German experts had found that a nerve agent from the so-called “Novichok group” could be determined as the source of this poisoning. On this basis, the Technical Secretariat adopted specific preparatory measures to be ready to respond to any request from Germany.

OPCW Dokument EC-95/DG.28

Dem zu Folge stammt die Information über die Bezeichnung "so called" Nowitschok-Gruppe die der Generalsekretär der OPCW in seiner Rede verwendete von der Bundesregierung bzw. dem Auswärtigen Amt. Der OPCW-Generalsekretär verwendet im übrigen den Begriff aleged poisning und der bedeutet meines Wissens nach "angebliche" bzw. "vermutete" Vergiftung und somit ist die Antwort der Bundesregierung in der Antwort eindeutig falsch. Eine Bestätigung das Alexei Nawalny durch den Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde bieten die öffentlich zugänglichen OPCW-Dokumente nicht an, vielleicht der geheime Bericht den die Bundesregierung aus Wien erhielt? Aber der ist auch geheim und wird es wohl auch bleiben. Das nennt an dann auffrischen von offiziell veröffentlichten Informationen mit einer gezielten Desinformation und so schließt sich aber auch der Kreis wenn man sich selber bestätigen möchte. Wir leben wirklich in sehr interessanten Zeiten.  

Nowitschok-Nachweis im Fall Nawalny

Berlin: (hib/AHE) Die Ergebnisse der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) bei der chemiewaffenrelevanten Bewertung des Falles Nawalny sind Thema einer Antwort der Bundesregierung ...

https://www.bundestag.de/presse/hib/812060-812060