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Unrechtsstaat DDR??

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

was für ein moralischer Begriff, Unrechtsstaat DDR. Wie ich heute las ist dieser Begriff bei der Partei DIE LINKE salonfähig geworden. Immerhin unser Westimport Bodo Ramelow will Ministerpräsident werden und hatte schon kurz nach der Wahl den Begriff für up to date befunden, um seine Koalition mit SPD und Grünen zu gestalten. Nun pflichtet Katja Kipping, immerhin Parteivorsitzende der Bundespartei, dem bei. Sie sagte: " Was nicht geht ist, dass ein wirklicher Politikwechsel in Thüringen daran scheitert, wenn man sich weigert, einen solchen Begriff anzuerkennen".

Da stellt sich doch zuerst die Frage: Was ist ein Unrechtsstaat??? Oder was ist Unrecht???

Also laut Wikipedia ist Unrecht: Unrecht ist das Gegenteil von Recht und besteht in einer Verletzung der Rechtsordnung.[1] Was Recht und was Unrecht ist, ergibt sich regelmäßig aus dem Gesetz.[2] Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch eine Rechtsnorm, die offenbar gegen konstituierende Grundsätze des Rechts verstößt, Unrecht und wird auch nicht dadurch zu Recht, dass sie angewendet und befolgt wird.[3]

In beiden deutschen Nachkriegsstaaten galt der Grundsatz: formales Recht beachten, jedoch Individualrechte missachten wenn es um Staatsräson und Staatsgefährdung geht. In der BRD z.B. Radikalenerlass von 1972 in den Bundesländern führte zu individuellen Ungerechtigkeiten, wie zum Beispiel Berufsverbot für einzelne Lehrer. Geheimarmeen der NATO namens "stay behind", waren gesetzlich nicht gedeckt sondern nur Administrativ durch die Bundesregierung. Datenweitergabe siehe G10-Gesetze, illegale Telefonüberwachung und Datenbeschaffung, Beschlagnahme von Brief-, Paketsendungen und Zeitungslieferungen siehe G-10-Gesetze usw. führten zu persönlichen Ungerechtigkeiten da die Privatsphäre des Einzelnen überwacht wurde, gesetzlich jedoch gedeckt waren, da der Bund Gesetze schuf um diese Maßnahmen durchzuführen.

In der DDR galten ähnliche Gesetze, wobei es keine illegalen geheimen Armeen der Warschauer Vertragsstaaten gab, sondern ganz legale, die Kampfgruppen der Betriebe. In der DDR war der Begriff Staatsgefährdung auch nicht nach Gutdünken ausdehnbar, egal ob Abwanderung von Fachkräften oder sogenannte "Zusammenrottung", "Unruhestiftung" die eben auch als staatsgefährdend betrachtet wurden, jedoch rein im Strafrecht gewissen Normen unterlagen, die wie in sogenannten Rechtsstaaten auch gebeugt werden können, siehe Guantanamo.

Bei BGB-Fragen, Jugendschutz, Straßenverkehr, allgemeinen Bürgerrechten und Strafverfahren, da war die DDR ebenso ein Rechtsstaat wie die BRD. Das es in der DDR und BRD Rechtsbeugungen gab und in letzterer gibt keine Frage. Das zum anderen die Politik in beiden deutschen Staaten gewaltigen Einfluss auf die Justiz hat, zeigen zum Beispiel Fälle wie die Leuna-Affäre, die niemals aufgeklärt wurde. Zum anderen zeigen uns die Überwachung seitens des Verfassungsschutzes gegenüber der Partei DIE LINKE, das parteipolitische Erwägungen auch Überwachung, Denunziation usw. geben kann. Aber auch der Justizskandal um Gustl Mollath oder die vorherige Ablehnung eines Asylantrages ohne Prüfung bei Edward Snowden. Ebenso Rechtsbeugung war es bewaffnete rechtsextreme Gruppierungen erst zu schaffen, finanziell auszustatten z. B. durch den Verfassungsschutz in Thüringen. Ebenso stellt eine Rechtsbeugung dar, wenn der Verfassungsschutz Akten schreddert, die zu Ermittlungen eines Bundes- und Landtagsausschuss angefordert wurden, eigentlich eine Straftat begangen durch eine staatliche Behörde. Man könnte die Betrachtung ohne weiteres auf die Treuhand und die Stasi-Unterlagenbehörde einmal ausweiten, man könnte ohne weiteres feststellen das individuell gefühltes von Behörden begangenes Unrecht in der Bundesrepublik auch staatlich sanktioniert wurde und zwar über Gesetze, die Gesetze waren im übrigen Verfassungskonform. Mit in die Betrachtung einbinden könnte man auch die Sozialgesetzgebung, über die sogenannten Hartz-Gesetze werden sogar Repressionsmaßnahmen staatlich sanktioniert, was zu individuellen Ungerechtigkeiten führen kann.

Der Umgang mit Kritikern der SED und ihren unumschränkten Führungsanspruch ist zum anderen ein erheblicher Kritikpunkt an der DDR, denn die SED machte selbstverständlich auch Fehler. So zum Beispiel die eingeschränkte Reise- und Bewegungsfreiheit der normalen DDR-Bürger war so ein Fehler. Ebenso der Mauerbau und das Grenzregime an der innerdeutschen Grenze, das immerhin ca. 1.200 Bürgern das Leben kostete waren solche Fehler, die in Ungerechtigkeiten mündeten. Aber diese offensichtlichen Fehlleistungen waren gesetzlich eben auch geregelt, ob man diese Gesetze für Gut oder Schlecht befand steht dabei eigentlich nicht zur Debatte. Fehlleistungen des SED-Regimes betrafen auch die mangelnde Freiheit und Freizügigkeit vor allem in persönlichen Dingen, wie eine freie Berufs-, Karriere- und Niederlassungswahl waren eingeschränkt möglich und orientierten sich eher an gesellschaftlichen Notwendigkeiten und Sachzwängen, was unter anderen die sogenannte Selbstverwirklichung so zu sagen negierte. Aber aus diesen negativen Umständen nun einen Unrechtsstaat zu konstruieren geht dann doch etwas zu weit, zumindest für mein Befinden.

Die DDR war meines Erachtens ein Rechtsstaat, jedoch mit eklatanten Mängeln, wie die BRD auch. Aufklärerische Vernunft würde sich, zum Zwecke der Behebung, um die Mängel an sich kümmern. Politische Vernunft, also machtzentrierte und -bewusste, kümmert sich nicht um die Mängel an sich, sondern um deren Nutzbarmachung für die eigenen Interessen. Eben daran scheiten sich die Geister wenn es um den Begriff "Unrechtsstaat" geht, erstens die Bezeichnung "Unrechtsstaat" hat für die politische Nutzbarmachung den Vorzug der Vieldeutigkeit, man kann sehr viel hinein interpretieren und dabei auch sehr viel persönlichen Groll. Auch den damit verbundenen Nachteil einer fehlenden Objektivität in Kauf nehmend. Ein weiterer Nachteil für die Anwendung des Begriffs ist, die Rechts- und Geschichtswissenschaft bietet keine allgemein akzeptierte Auslegung des Begriffs an.

Im Blick auf die DDR: eine Verfassung und die daraus folgernde Gesetzgebung gab es in der DDR. Ebenso die Judikative und Exekutive, die an Verfassung und Gesetze gebunden waren. Formal gesehen war die DDR ein Rechtsstaat. Jedoch hatten Legislative, Judikative und Exekutive in der DDR ein gewaltiges Problem, sie wurden alle drei von Funktionären der SED geführt, ergo war die Gewaltenteilung nur rudimentär, entsprach nicht dem Art. 1 S.2 DDR-Verfassung, und eine Basisorientierung der Partei selber so gut wie gar nicht vorhanden. Die Staats- und Parteiführung nutzte ihre Machtfülle auch aus, wenn es ihr opportun schien, um die Normen in der DDR festzuschreiben, was fehlte waren eine gesamtgesellschaftliche Debatte und die Einbindung aller gesellschaftlicher Ebenen. Extrem einseitige Sichtweisen und auch Brutalitäten gingen selbstverständlich daraus hervor, die jedoch auch auf gesetzgeberischer Ebene agieren konnte. Daraus ergibt sich das die DDR immer noch ein Rechtsstaat war, aber selbstverständlich fehlten ihr auch einige wesentliche Merkmale einer modernen Rechtsstaatlichkeit. Denn man sollte sich vor Augen führen, Recht ist kein unabhängiger oder übergeordneter Gegenstand, Recht ist immer abhängig von dem der das Recht entwirft. Daraus ergibt sich, Recht und Rechtsauffassung muss weder objektiv, noch müssen beide gerecht sein. Beide dienen in einer pluralistischen Gesellschaft dazu Normen und Regeln zu gestalten, die divergente Interessen entweder auszutarieren oder Interessen Prioritäten zu geben, das kann auch dazu führen das einige Interessen anderen scheinbar gewichtigeren Interessen sich unterzuordnen haben. Die SED-Herrschaft in der DDR gleicht auch derer einer Diktatur, nicht des Proletariats sondern einiger Funktionsträger der SED. Der Sozialismus in seiner Ausprägung hatte nichts mit dem Sozialismus gemein wie ihn Karl Marx und Friedrich Engels einstmals beschrieben, und wie ihn August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht oder etwa auch Albert Einstein und Bertrand Russell verstanden.

Das illustriert vor allem eines: der Begriff Unrechtsstaat ist ein moralischer Begriff, er lässt sich nicht mit akzeptierten Definitionen in der Rechts- und Geschichtswissenschaft greifen, was zur Vieldeutigkeit in der Anwendung führt. Ein weiterer Umstand ist jedoch, der Begriff ist zu aller erst linguistisch gesehen negativ besetzt in seiner Bedeutung. Dieser Umstand hat eine gewisse Bedeutung, denn er vermittelt dadurch den Eindruck, das eigentlich positive Errungenschaften wie das fortschrittlichere Sozial- und Bildungssystem der DDR ebenso Unrechtssysteme gewesen waren. Aber durch die breite Einführung des Begriffs in der Politik rechtfertigt man ebenso die Rückabwicklung der Enteignungen des Besitzes der nationalsozialistischen Funktions-, aber vor allem der Wirtschaftseliten und der Großgrundbesitzer, die auf dem Gebiet der DDR nach 1945 eingeleitet wurden. Darin besteht aus westdeutscher Sicht das eigentliche Unrecht der DDR, was sie in den Augen der bundesrepublikanischen Funktionseliten zum Unrechtsstaat macht. Der Begriff Unrechtsstaat sollte man vielleicht in die Kategorie, politischer Kampfbegriff einordnen, denn der 1991 amtierende Außenminister Klaus Kinkel die Aufgabe der Justiz in der Aufarbeitung der DDR-Geschichte darin "das SED-System zu delegitimieren", was diese bekanntlich dann auch tat. Vor allem hat der Begriff "Unrechtsstaat DDR" den Vorteil, man kann mit ihm die DDR in eine Reihe stellen mit dem Nationalsozialistischen Deutschland von 1933-45 und das ist wohl auch die eigentlich beabsichtigte Wirkung. Der nicht definierte Begriff Unrechtsstaat wird all zu gerne assoziiert mit dem von Carl Jaspers gebrauchten Begriff des Verbrecherstaates, mit dem er das Dritte Reich charakterisierte.

Das sich jetzt die Partei DIE LINKE ganz pragmatisch dieses Begriffes bedient zeigt jedoch eines: sie ist nun endgültig in der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft angekommen, so ähnlich wie Joachim Gauck und Angela Merkel. Worin zum Beispiel der von Katja Kipping verlautbarte Politikwechsel in Thüringen bestehen soll, ergibt sich selbst aus dem Wahl- und Parteiprogramm wohl selber nicht. Vor allem wenn man bedenkt das die Konstellation LINKE, SPD und Grüne eigentlich eine ziemlich konservative ist, sozusagen CDU/FDP ligth. Der Umgang mit der Geschichte der DDR wird wohl auch ein ganz profan typisch bundesdeutscher in der Partei DIE LINKE werden, die Parteispitze möchte wohl auch die SED Vergangenheit der Partei ad Acta legen können. Denn bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte sollte es darum gehen, diese Geschichte objektiv dar zu stellen, ohne ideologisch eingefärbte Sichtweisen, wie der Siegermentalität im Ideologienstreit und einem Gerechtigkeitsempfinden, dem man selber nicht gerecht wird.

Letztendlich sollte es der Anspruch in einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft sein, auch dem untergegangenen einstigen "Klassenfeind" Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Gerechtigkeit nicht im Sinne von ausgleichender Verteilung der zu verteilenden Besitzstände, siehe Treuhand, sondern im Sinne von Friedrich Nietzsche, der sogar von einer „Genialität der Gerechtigkeit“ sprach in der Bedeutung von: einer Sache, einem Gegenstand oder einer Person gerecht werden. Und das schließt immer auch mit ein, sie nach ihren eigenen Maßstäben zu beurteilen, sie auch daran zu messen, was sie eigentlich beabsichtigt hat. Die einfache nahezu unreflektierte Übernahme des Begriffes "Unrechtsstaat DDR" wie ihn die Konservativen verstehen durch die Parteiführung der Linken auf Bundesebene, nur um einen Ministerpräsidenten in Thüringen zu stellen, wird einer Aufarbeitung der DDR-Geschichte sicher keinen Gefallen getan und schadet der Partei als ganzes. Sie verliert damit nach dem sie mit der Vereinigung mit der WASG schon in ihren Zielen sozialdemokratisiert wurde, nun auch einen wesentlichen Teil ihrer Geschichte.

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