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Die berühmte Hamas-Charta

Veröffentlicht am von Gerald Tauber

Bei einem etwas heftigen Rededuell bei dem mich ein Pro-Israelischer Schreiber mal wieder über die Hamas als Organisation aufklären wollte und die Hamas-Charta als Beleg für deren düsteren Absichten ins Feld schob wurde mir wieder einmal gewahr, was wissen wir eigentlich über diese Charta? Summa-sumarum muss man wohl konstantieren, erstaunlich wenig, obwohl so oft diskutiert.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht die Hamas-Charta zu suchen und erstaunlicherweise gibt es nur eine komplett vollständige Übersetzung ins deutsche. Am meisten verbreitet sind teilweise Übersetzungen und auch sehr weit verbreitet sind Kommentare dazu. Na gut könnte man meinen, aber wenn man sich die Kommentare ansieht wird man auch nicht schlauer daraus, denn sie stammen ausschließlich von offen Pro-Zionistischen Internetseiten. So findet man bei Hagalil recht viel, bei Matthias Küntzell (wenn man seine Publikationen liest kommt man Schluss: Alles Antisemiten außer Er selber) und Ullrich Sahm (einem Korrespondenten aus Jerusalem), und Sahm verweist nun wiederum auf Küntzell, aber es gibt erstaunlich wenig wissenschaftlich fundierte Meinungen dazu.

Da fiel mir wieder ein, ich habe ja schon eine englisch-sprachige Ausgabe der Charta, veröffentlicht vom Middle East Media Research Institut aus Berlin im Jahre 2004 und dann fiel mir doch noch eine deutschsprachige Übersetzung auf Europenews auf, wobei die Übersetzungsqualität nicht gerade berauschend ist, aber für nicht Englischsprachige dennoch brauchbar, Link: http://europenews.dk/de/node/43391 oder im Anhang.

Aber ganz zu Anfang sollte man sich die Frage stellen, Was ist eine Charta?

Laut Duden und Wiktionary ein Zeitdokument, geschrieben werden Chartas nämlich im Präsens und keinesfalls im Präteritum oder Futur. Im Staats- und Völkerrecht werden Chartas auch als Verfassungsurkunden bezeichnet, wie zum Beispiel das Grundgesetz der Bundesrepublik eine solche Charta heu zu Tage darstellt, ebenso wie die Bull of Rigths der USA oder die Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen wohl die bekannteren Beispiele für eine Charta darstellen. Im Grunde genommen ist die Charta eine Grundrechte- und Pflichtenerklärung, wobei die Menschenrechte Verklausoliert werden, so um Beispiel werden in Deutschland die nur den Deutschen vorbehaltenen Grundrechte Bürger- oder Deutschenrechte genannt, man sollte sich die Mühe machen das Grundgesetz auch mal durchzulesen. Ebenso werden in Chartas wohl die politischen und sozialen Ziele genannt, bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl die Charta der Vereinten Nationen. Also zusammenfassend sind Chartas wohl zum einen ein Zeitdokument in dem die Verfasser Rechte, Pflichten und Ziele erklären, was mich zur nächsten Frage bringt:

Wer oder was ist die Hamas?

Das geht eigentlich aus der Charta hervor: Artikel 1: Das Programm der Islamischen Widerstandsbewegung ist der Islam. Aus ihm leitet sie ihre Ideen, Konzepte und Vorstellungen vom Universum, dem Leben und den Menschen ab, von ihm lässt sie sich in all ihren Unternehmungen auf dem rechten Weg leiten.

Hamas steht für Ḥarakat al-muqāwama al-islāmiyya oder „Islamische Widerstandsbewegung“, dem zu Folge in ihrem Eigenverständnis um eine politische Partei der Palästinenser und des Widerstandes gegen die Besatzungspolitik. Nur im allgemeinen findet man viel, im speziellem aber auch Recht wenig gegen was sich der Widerstand der Hamas richtet, im allgemeinen wird gerne berichtet gegen Israel. In deutschen Medien wird allzu gerne von Palästina und Israel als zwei getrennten Gebieten geredet, was so nicht ganz zutreffend ist. Ursprünglich wurde der Staat Israel in Palästina gegründet und umfasste nach dem Krieg 1948/49 bereits einen Großteil des ursprünglich genannten Gebietes namens Palästina, ausgenommen hiervon das sogenannte Westjordanland und der Gazastreifen. Selbst nach palästinensischer Sichtweise umfassen diese beiden Gebiete welches heutzutage Palästina genannt wird, jedoch von Israel größtenteils beansprucht wird. Selbst die israelfreundliche Wikipedia kommt nicht umhin zu berichten das nur 40% der Fläche des Westjordanlandes von der palästinensischen Autonomiebehörde kontrolliert wird,(1) der Rest ist bekannter weise israelisches Staatsland geworden, größtenteils enteignet(2).

Selbst wenn man davon ausgeht das das vielbeschworene Existenzrecht Israels dem im Völkerrecht verankerten Anspruch Israels auf Fortbestand innerhalb international anerkannter Grenzen und Schutz vor existenzbedrohenden Angriffen aller Art, den alle 193 von den Vereinten Nationen (UNO) als Völkerrechtssubjekte anerkannte Staaten haben bezeichnet, muss man sich dennoch fragen warum bezeichnet sich die Hamas als Widerstandsorganisation und hat der von der Hamas angestrebte Staat Palästina nicht auch solch ein Existenzrecht wie das z. b. von unserer Bundeskanzlerin geforderte Garantie für das Existenzrecht des Staates Israels?

Stellt man sich dieser Frage kommt man wahrscheinlich zur Einsicht, dieser Punkt wird unzureichend von der Politik der EU, Deutschlands und der Medien berücksichtigt, besser gesagt Deutschland, die EU und die USA sind keine neutralen Staaten in diesem Punkt. Auch der Punkt das das Westjordanland als besetztes Gebiet bezeichnet werden sollte scheut sich die Politik der Regierungen der EU und der EU-Kommission ernsthaft zu benennen und Konsequenzen zu ziehen. Also die grundlegende Frage stellt sich, wie sehen die Grenzen Palästinas nun aus? Diese Grenzen gehen weder aus der Charta der Hamas noch den Grundgesetzen Israels eindeutig hervor. Die EU selber definiert die Grenzen Israels als die Grenzen von 1967, was in mehreren Wirtschaftskooperationsabkommen auch so genannt wird und den Golan, das Westjordanland und den Gazastreifen als israelisches Territorium ausschließt, was jedoch nur juristische Gründe hat und der Politik gegenüber Israel keinen Abbruch tut. Objektiv gesehen hat man es hier ein Interpretationsdefizit seitens der politischen Akteure in ihren eignen Grundsatzerklärungen zu tun. Der vielbeschworene Verweis auf die Charta der Hamas dient im Grunde genommen dazu, der Hamas eine Legitimation als Verhandlungspartner und Vertreter der Palästinenser abzusprechen. Dieser Punkt berücksichtigt jedoch nicht, das der Staat Israel ebenso seine Grenzen zum Westjordanland nie definiert hat und Land für sich beansprucht, nämlich das Land der Siedlungsbewegung, was ihm laut internationalen Völkerrecht gar nicht zu steht.

Der Widerstand der Hamas erklärt sich aus diesem Umstand, nämlich dem Umstand das die Hamas ein eignen Staat für die Palästinenser beansprucht und der Staat Israel einer Zwei-Staatenlösung derzeitig wohl entgegen steht, mit der Begründung man hätte keine Verhandlungspartner. Das man sich den Verhandlungspartner in einem solchen Konflikt wohl kaum aussuchen kann dürfte eigentlich auf der Hand liegen. Dem zu Folge hat man es mit einem ausgeprägten Realitätsverlust seitens der israelischen Regierungen zu tun, die so etwas behaupten, denn die Anerkennung der Interessen und Absichten des Gegenüber als Vertragspartner wäre der erste Schritt zu diplomatischen Verhandlungen, das musste auch die Bundesrepublik in späten 1960er Jahren erkennen, im Zuge der Neuausrichtung der sogenannten Ostpolitik.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stinensische_Autonomiegebiete

(2) http://www.bornpower.de/israel/landrech.htm

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